Montag, 17.07.2023 / 23:54 Uhr

Düstere Zukunftssaussichten für Somalia

Von
Gastbeitrag von Hossam Sadek

Truppen der AU, Bildquelle: Rawpixel

Die Truppen der Übergangsmission der Afrikanischen Union arbeiten an einem Abzug aus Somalia, der das Land in ein erhebliches Sicherheitsvakuum stürzen könnte.

 

Die Truppen der Übergangsmission der Afrikanischen Union (ATMIS) arbeiten an einem Plan für den schrittweisen Abzug aus Somalia, der das Land in ein erhebliches Sicherheitsvakuum stürzen und den Weg für die mit der al-Qaida verbundene al-Shabaab-Bewegung ebnen könnte, die Gebiete zu übernehmen. 

Die ATMIS haben Ende Juni sieben Militärstützpunkte in Zentral- und Südsomalia geräumt, nachdem die Vereinten Nationen beschlossen hatten, die Zahl der afrikanischen Truppen schrittweise bis zum vollständigen Abzug aus dem Land am 31. Dezember 2024 zu reduzieren. Einheiten der somalischen Armee haben die Verantwortung für die sieben Militärstützpunkte übernommen, aus denen sich die multinationalen afrikanischen Streitkräfte zurückgezogen haben. 

Vor einer Woche gab der Leiter der Mission der Afrikanischen Union in Somalia, Muhammad Al-Amin al-Suweif, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem somalischen Verteidigungsminister Abd al-Qadir Nur den erfolgreichen Abzug von zweitausend afrikanischen Soldaten aus Süd- und Zentralsomalia sowie die Evakuierung der sieben Militärstützpunkte bekannt. 

Die Zahl der ATMIS-Truppen beläuft sich damit derzeit auf 17.626 Soldaten aus fünf afrikanischen Ländern und es wird erwartet, dass die Mission den Prozess des schrittweisen Rückzugs aus Somalia Ende nächsten Jahres abschließt.

Im April 2022 übernahm ATMIS die Aufgabe, die somalischen Streitkräfte bei der Bekämpfung der al-Shabaab-Bewegung zu unterstützen und trat damit die Nachfolge der Mission der Afrikanischen Streitkräfte (AMISOM) an, die rund 20.000 Mitglieder aus mehreren Ländern umfasst hatte, darunter Burundi, Dschibuti, Äthiopien, Kenia und Uganda. Dem Abzugsplan zufolge sollen die somalische Armee und Polizei bis Ende 2024 die volle Sicherheitsverantwortung übernehmen – siebzehn Jahre nachdem der Sicherheitsrat die Truppe der Afrikanischen Union zur Unterstützung Somalias bei der Bekämpfung der al-Shabaab-Bewegung eingesetzt hat.

Erhebliche Sicherheitsbedenken

Der Abzug der ATMIS-Kräfte aus Somalia weckt jedoch Bedenken hinsichtlich eines zu erwartenden Sicherheitsvakuums. Die somalische Sicherheitsexpertin Malika Abdi argumentiert, der Beginn des ATMIS-Abzugs ohne eine klare somalische Sicherheitsstrategie würde »ein Sicherheitsvakuum schaffen, das sich negativ auf die derzeitige relative Sicherheitsverbesserung auswirken könnte. Die ATMIS-Kräfte sichern derzeit wichtige Orte wie den Präsidentenpalast, den Flughafen und den Hafen von Mogadischu sowie die Hauptsitze einiger Ministerien.« 

Laut Abdi erfordere »der Schutz dieser Orte Spezialkräfte, und die somalische Regierung ist nicht in der Lage, diese Aufgabe binnen eines Jahres zu übernehmen«. Für die Sicherheitsexpertin ist der Abzug eine Gelegenheit für al-Shabaab, ihre terroristischen Angriffe auf die Militärstützpunkte zu verstärken.

Der ehemalige Direktor des somalischen Geheimdienstes, Abd Al-Salam Guled, erklärte außerdem, die Mission der Afrikanischen Union führe derzeit einen Abzugsprozess durch, der aus strategischer und sicherheitspolitischer Sicht nicht gut geplant sei. 

Seiner Ansicht nach sind die somalischen Streitkräfte nicht in der Lage, das gesamte, von den afrikanischen Streitkräften gesicherte Gebiet einzunehmen, was zu einem erheblichen Sicherheitsvakuum im Land führen werde: »Die somalische Armee wird mit Sicherheitsproblemen konfrontiert sein, insbesondere nach dem Abzug der afrikanischen Streitkräfte.« Guled geht davon aus, dass die al-Shabaab-Miliz einige strategische Gebiete Somalias kontrollieren wird, da die Armee über keine nennenswerte offensive und defensive militärische Fähigkeiten verfügt.

Das Future Center for Research ist in einem Forschungspapier pessimistischer und die Autoren folgern, dass die somalischen Streitkräfte derzeit nicht in der Lage seien, die Sicherheitsaufgaben im Land einseitig zu erfüllen, weswegen der Abzug der ATMIS-Truppen höchstwahrscheinlich zu einem raschen Zusammenbruch der somalischen Institutionen und einer Wiederholung des Afghanistan-Szenarios führen werde. 

»Daher diskutiert die somalische Regierung mit ihren internationalen Partnern immer noch über Alternativen, um ein Abgleiten in das afghanische Modell zu verhindern, aber die Finanzierungs- und Ausbildungsprobleme stellen nach wie vor eine der größten Herausforderungen für diese Bemühungen dar«, heißt es in dem Bericht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die somalische Armee mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert ist und nach dem Abzug der afrikanischen Streitkräfte möglicherweise einen raschen Niedergang erlebt, was dazu führen könnte, dass die al-Shabaab-Miliz die Kontrolle über das Land übernimmt, ähnlich dem Modell der Taliban in Afghanistan im Jahr 2021.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch