Der Entwurf für ein neues Psychiatriegesetz in Bayern stößt zurecht auf heftige Kritik

Wer hat Angst vorm kranken Mann?

Ein Gesetzesentwurf der bayerischen Landesregierung sieht vor, zwangseingewiesene Menschen wie Straftäter zu behandeln. Insbesondere das Vorhaben, eine zentrale Datenbank für diese zu schaffen, stößt auf harsche Kritik.

Die Einleitung wirkt progressiv. So soll das bayerische Psychisch-Kranken-­Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) das veraltete Unterbringungsgesetz von 1992, das bisher psychiatrische Zwangsmaßnahmen regelt, im Sinne der UN-­Behindertenkonvention und der Rechtsprechung des Bundesverfassungs­gerichts zur Selbstbestimmungsfähigkeit psychisch kranker Menschen ­reformieren. Die Zahl der Zwangseinweisungen – 2015 waren es in Bayern über 60 000, mehr als in jedem anderen Bundesland – soll vermindert, die Rechtsstellung der Patienten gestärkt, Stigmatisierungen vorgebeugt und die psychiatrische Prävention ausgebaut werden.

Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml und die Familien- und Sozialministerin Kerstin Schreyer (beide CSU) haben den Entwurf ausgearbeitet, das neue Kabinett des Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) hat ihn am Dienstag vergangener Woche abgesegnet. Der Inhalt des Gesetzes konterkariert jedoch die in der Einleitung formulierten Ziele. In der Tat fehlt es in Bayern bisher an spezifizierten Bedingungen für psychiatrische Zwangsmaßnahmen. Der Entwurf ist aber nicht weniger vage: So soll nicht nur die ­akute Selbst-, Fremd- oder Rechtsgütergefährdung, sondern auch ein Risiko für das »Allgemeinwohl« ausreichen, um jemanden unter Zwang einzu­weisen. In den Genuss von »Rechts­sicherheit und Transparenz«, die Schreyer den Betroffenen versprach, kämen vor allem Ärzte und Pfleger. Zu den Befugnissen der Anstaltsleitung, die sich auf Ärzte und Pfleger über­tragen lassen, sollen nicht nur diverse Einschränkungen der Bewegungs­freiheit, Zwangsbehandlungen und ­Sicherheitsmaßnahmen kommen. Schrift- und Paketverkehr, Bild-, Ton- und Datenträger, Telefongespräche und Nachrichten jeglicher Art dürfen dem Entwurf zufolge kontrolliert und unterbunden werden. Selbst eine Video­überwachung wäre zulässig. Schlafräume und Körper könnten durchsucht, Besuche überwacht und verhindert werden. Die Regelungen des Datenschutzes orientieren sich explizit am Maßregelvollzug, die des Außenkontakts an der Sicherheitsverwahrung.

Schon die Formulierung der Ziele ähnelt der des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes, das die Unterbringung straffällig gewordener Menschen mit psychiatrischer Diagnose regelt. Sie lässt keinen Zweifel daran, zu wessen Gunsten der angekündigte Interessenausgleich zwischen Staat und Patient ausfallen soll. »Anstatt die Hilfe und Heilung in den Vordergrund zu stellen, geht es im Gesetz primär um Gefahrenabwehr«, kritisierte Margit Berndl, ­Mitglied im Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Bayern.

Bloß vier der 39 Artikel befassen sich mit dem Ausbau von Hilfen. Fachleute und ­Verbände begrüßten es zwar einhellig, dass ein flächendeckendes Netz an rund um die Uhr erreichbaren Krisendiensten finanziert werden soll. Doch wo im Gesetzentwurf Verbesserungen zu finden sind, lässt häufig auch ihre Relativierung nicht lange auf sich warten: Wo etwa Patientenrechte festgeschrieben werden, definiert die Vorlage zugleich situationsspezifische Einschränkungen, mit denen sie jederzeit wieder ausgehebelt werden können. Der von Betroffenenverbänden gewünschte Richtervorbehalt, also eine erforderliche richterliche Genehmigung für Zwangsmaßnahmen, würde mit dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz zwar endlich eingeführt; doch wer eine sofortige vorläufige Unterbringung ­anordnet, muss erst bis spätestens zwölf Uhr des Folgetags ein Gericht informieren – also erst, wenn eine Person bereits zwangsweise in eine psychiatrische Einrichtung gebracht wurde. Die Beschwerdemöglichkeiten hält der ­Bayerische Landesverband Psychiatrie-Erfahrener zudem für zu schwer zugänglich.