Das Thesenpapier ist eine Absage an die libertäre Migrationspolitik der Linkspartei

Links bleiben

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Gastbeitrag Von

Das Thesenpapier ist ein Vorstoß für eine linke Migrationspolitik, die das Interesse der Deutschen und des Staates in den Mittelpunkt stellt, die Besitzstandswahrung des Nordens betreibt und die Ressentiments gegen Migrantinnen und Migranten bedient – und eben nicht das Menschenrecht zum Ausgangspunkt einer linken Migrationspolitik macht. Der Sommer der Migra­tion 2015 wird erfolgreich ausgeblendet und Einwanderung in Bedrohung umgedeutet, statt sie als Chance zu begreifen. Als Alternative dazu möchte ich das Recht auf Bewegungsfreiheit, das Schaffen von legalen Einreisemöglichkeiten und die Definition von globalen sozialen Rechten vorschlagen.

Diejenigen, die es trotz eines immer schärfer werdenden Grenzregimes nach Europa schaffen und ohne Rechte in die Illegalität abgedrängt werden, sind die schwächsten Glieder der internationalen Klasse der Arbeiterinnen und Arbeiter und haben Solidarität verdient. Nur im gemeinsamen Kampf um Einkommen, Wohnraum, Gleichheit und Gerechtigkeit kann der globale Kapitalismus besiegt werden.

Zweifellos müssen sich Linke in den Parlamenten und außerhalb die Frage stellen, wie Lohnabhängige und Prekarisierte davon abhalten werden können, weiter nach rechts zu rücken. Doch wir bekämpfen den Rechtsruck sicherlich nicht, indem wir selbst nach rechts rücken. Es ist vielmehr unsere Aufgabe, dem Rechtsruck argumentativ zu begegnen und solidarische Praktiken zu entwickeln. Weder die Rückkehr zum Nationalstaat als vermeintliches Bollwerk gegen neoliberale Globalisierung noch eine abgeschottete Europäischen Union sind linke Antworten. Wenn die Linkspartei den ­Anspruch auf internationale Solidarität aufgibt, hört sie auf, links zu sein. So­lidarität zwischen den Lohnabhängigen, Entrechteten und Mittellosen, egal woher sie kommen, bleibt noch immer die klassische linke Antwort. Und die sollte nicht aufgegeben werden, auch wenn der Umstand, dass Geflüchtete ein Handy besitzen, manchen als größeres Unrecht erscheint als die Tatsache, dass die acht reichsten Männer der Welt so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

Der Richtungsstreit ist in der Arbeiterbewegung nicht neu. Bereits 1907 stritt der Internationale Sozialistenkongress in Stuttgart über »Einwanderungsverbote gegen rückständige, angeblich ›nicht organisationsfähige‹ Proletarier aus China und Japan«. Der Kongress hat dies letztlich verworfen und, wie Clara Zetkin frohlockte, »die Solidarität der Klasse aller Rassen und Nationen hochgehalten«.
Auch die Linkspartei muss diese Frage nun erneut entscheiden. Auf dem Bundesparteitag am 9. Juni steht die Forderung nach offenen Grenzen erneut zur Abstimmung. Ich bin guter Dinge, dass internationale Solidarität und of­fene Grenzen programmatische Grundlagen bleiben werden.

 

Die Autorin ist stellvertretende Partei- und Bundestagsfraktionsvorsitzende der Partei »Die Linke«.