Die AfD befindet sich vor ihrem Bundesparteitag in einer günstigen Lage

Völkisch bleibt dynamisch

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»Dresdner Rede« aus der Partei zu werfen, ist dafür nur das prominenteste Beispiel.
Vermutlich wird eine Debatte über die Anerkennung einer parteinahen Stiftung den Parteitag bestimmen. Eigentlich will die AfD die parteinahen Stiftungen abschaffen – sie gelten ihr als illegitimes Instrument der »Altparteien«. Solange dieses Ziel aber nicht erreicht werden kann, müsse die AfD Waffengleichheit mit ihren Konkurrentinnen herstellen, heißt es in einem Antrag zum Thema. Eine parteinahe Stiftung könnte einerseits Bundesmittel erhalten, andererseits aber auch Spenden von Privatpersonen, die dann nicht im Rechenschaftsbericht der Partei auftauchen würden. So könnte viel Geld zur Unterstützung der AfD zusammenkommen. Eine Weile buhlten zwei Stiftungsvereine um die Stellung: die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES), der die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach vorsitzt, und die Gustav-Stresemann-Stiftung (GSS). Der GSS-Verein war eigentlich gegründet worden, um eine Stiftung für die rechtsextreme Partei »Die Freiheit« aufzubauen, wurde aber nach deren Auflösung nicht mehr gebraucht – und von AfD-Mitgliedern übernommen. Die beiden Stiftungsvereine haben unterschiedliche personelle und inhaltliche Schwerpunkte. Mittlerweile haben sie jedoch ein Einigungspapier vorgelegt. Nach Wunsch der Vereine und des Bundesvorstands soll auf dieser Grundlage die DES anerkannt werden und einige Funktionäre der GSS aufnehmen. Doch es gibt auch Anträge, vorerst keine Stiftung anzuerkennen.

Auf den zurückliegenden Parteitagen gewann der völkische Flügel der Partei immer mehr Einfluss. Im April vergangenen Jahres sah sich die damalige Parteivorsitzende Frauke Petry gezwungen, Anträge gegen den völkischen Flügel um Björn Höcke zurückzuziehen. Auf dem darauffolgenden Parteitag im Dezember fiel der Berliner Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski durch, der für einen Posten als Bundesvorsitzender kandidiert hatte. Pazderski hatte sich zuvor für einen Parteiausschluss von Höcke ausgesprochen und galt als heimlicher Anhänger Petrys, die im September aus der Partei ausgetreten war. Statt Pazderski übernahm Alexander Gauland den Parteivorsitz, zusätzlich zu seiner Funktion als Vorsitzender der Bundestagsfraktion. Gauland verzichtet auf jede Abgrenzung vom Rechtsextremismus, hat sich nie gegen Höcke gewendet und fällt selbst regelmäßig mit stramm rechten Äußerungen auf. So sagte er etwa, man könne stolz auf die »Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen« sein, und bezeichnete Hitler und die Nazis als einen »Vogelschiss in über 1 000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte«.

Ob sich die personelle und inhaltliche Radikalisierung der Partei auch am Wochenende fortsetzt, wird an den Reden gemessen werden müssen, da voraussichtlich nicht viele Anträge von inhaltlicher Relevanz behandelt werden. Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen hat bereits angekündigt, die Sozialpolitik in seiner Eröffnungsrede anzusprechen. Der völkische Flügel dringt schon lange darauf, die soziale Frage offensiv zu stellen – und mit einer Art nationalem Sozialismus zu beantworten. Eine entsprechende Rede Meuthens käme diesem Anliegen entgegen.

Jan Riebe, ein Sprecher der Amadeu-Antonio-Stiftung, geht davon aus, dass die extreme Rechte ihren Einfluss in der Partei weiterhin kontinuierlich ausbauen wird. Er sagte der Jungle World: »Nur durch Provokation kann die AfD demonstrieren, dass sie außerhalb des verhassten Establishments steht, und so dafür sorgen, dass sie als einzige Alternative zu diesem wahrgenommen wird und im Gespräch bleibt. Verbunden ist damit eine verbale wie auch inhaltliche Radikalisierung.« Doch nicht nur die AfD entledige sich der Reste bürgerlicher Politik, sondern auch in der deutschen Gesellschaft sei eine Verschiebung nach rechts festzustellen, sowohl was die Sprache als auch die politischen Inhalte betreffe. Um weiter wahrgenommen zu werden, sei deshalb »eine weitere Radikalisierung für die AfD unerlässlich«. Riebe nennt dies einen »sich bedingenden Kreislauf«.

Demnach hat der völkische Flügel gute Aussichten. Als vergleichsweise moderat geltende Arbeitsgruppen der AfD wie die »Alternative Mitte« sieht Riebe abgeschlagen, die extreme Rechte sei innerhalb der Partei viel besser organisiert. Auch der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung konstatierte im Gespräch mit der Jungle World eine Erweiterung der rechtsextremen Dominanz. Einen »moderaten« oder »gemäßigten« Flügel gibt es seiner Ansicht nach in der AfD nicht mehr. »Streit gibt es in der Partei nur um das Wie, jeder vermeintliche Flügelkampf ist nur ein Kampf um persönliche Eitelkeiten, bei dem es nicht um wirkliche inhaltliche Differenzen geht, sondern um selbstverliebten Egoismus und die Frage, wer mehr Macht hat«, so Salzborn.