Protest gegen Verdrängung

Elstern in Ehrenfeld

Mit einer Hausbesetzung wollen mehrere Projekte in Köln auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen. Vom Autonomen Zentrum bis zu einer Beratungsstelle für geflüchtete Frauen – für viele Einrichtungen könnte bald Schluss sein.

»Das ist so Ehrenfeld«, sagte ein Unterstützer der Hausbesetzung in Köln am Freitag vergangenener Woche. Die Polizei war gerade zum zweiten Mal in Kontakt mit den Besetzern getreten. Ihr Anliegen war simpel – die Band, die im Haus spielte, solle doch bitte bald aufhören, es sei spät, bei den sommer­lichen Temperaturen wollten die Menschen bei offenem Fenster schlafen, das gehe aber mit der Musik nicht. Sonst hatten die beiden Polizisten offenbar kein Problem mit der Besetzung.

Das Haus liegt auf einem Bahngelände. Doch ein Vertreter der Deutschen Bahn AG, der etwas später vorbeikam, bat lediglich darum, den Zugverkehr nicht zu stören. Die Besetzung liegt an einer wichtigen Strecke. ICE und TGV nach Paris und Brüssel rollen hier vorbei, zusätzlich viele Güterzüge.

Dass der Beginn der Besetzung so einfach sein würde, damit hätten wohl die wenigsten der »Elstern« gerechnet. »Elster« – so haben sie ihr Projekt ­genannt und als Symbol eine Elster gewählt, die die Stäbe ihres Käfigs kaputttritt. Tiernamen haben bei Besetzungen in Köln eine lange Tradition. Eine ­Besetzung vor 15 Jahren hieß »Pingutopia«, das Haus wurde nach drei Wochen geräumt und sofort abgerissen. Mittlerweile befindet sich dort, am ­Eifelplatz, eine teure Wohnanlage.

Generell steigen die Mieten in Köln immer stärker. Der Stadtteil Ehrenfeld, in dem die »Elster« liegt, hat sich in den vergangenen Jahren vom migrantisch und studentisch geprägten ehemaligen Arbeiterviertel zum beliebten Quartier für wohlhabendere Bevölkerungsgruppen gewandelt. In alten Industriebauten haben sich Anwaltskanzleien und Unternehmen niedergelassen. Gutverdienende Jungfamilien ziehen in die Gegend. Oft kostet eine 60 Quadratmeter große Wohnung über 1.000 Euro Miete.

Luxussanierung statt bezahlbarer Wohnraum

»Bezahlbarer Wohnraum wird zugunsten von Luxussanierungen oder Büroflächen aufgegeben und selbst­organisierte Freiraumprojekte sollen an den Stadtrand verdrängt oder ­geschlossen werden, um Investitionsmöglichkeiten zu schaffen. Wir wehren uns gemeinsam gegen diesen Ausverkauf der Stadt«, sagte eine Aktivistin namens Petra bei der Besetzung.

Um auf die Situation aufmerksam zu machen, haben sich zahlreiche Kölner ­Projekte, die um ihre Räume bangen müssen, zusammengeschlossen. Das überregional bekannteste ist das Autonome Zentrum (AZ). 2010 aus einer Besetzung im linksrheinischen Kalk hervorgegangen, musste es nach drei Jahren umziehen, doch auch das heutige Domizil in der Südstadt sollen die Autonomen aufgeben. Der Grüngürtel, der die Kölner Altstadt umschließt, soll geschlossen werden, dass AZ einem Park weichen.

Nachdem eigentlich schon zum Ende des ver­gangenen Jahres Schluss sein sollte, hat die Stadt die Frist um ein Jahr verlängert. Oberbürgermeisterin Henriette Reker besuchte das Zentrum schon ­einmal, kaufte ein T-Shirt und beteuerte, dass die Stadt Platz für ein Autonomes Zentrum habe. Nur wo, verriet die bei ihrer Wahl von Grünen und CDU ­unterstützte parteilose Politikerin nicht. Bisherige Angebote für Räumlichkeiten am Stadtrand sind für das AZ keine Option.

Auch die beiden Wagenplätze »Osterinsel« und »Wem gehört die Welt« sollen bald weichen. Die »Osterinsel« soll Platz für Neubauten schaffen. Das Gelände von »Wem gehört die Welt« will die Stadt verkaufen. Das »Assata im Hof«, ein sogenannter feministischer Freiraum, hat von dem ehemals landeseigenen Unternehmen LEG ­Immobilien die Kündigung für Ende September bekommen.

Nicht nur die linke Szene hat es schwer

Das »Assata im Hof« gehört zum in den achtziger Jahren besetzten und mittlerweile recht etablierten Kartäuserwall 18, in dessen Hinterhof auch allen anderen Mietern von Gewerberäumen und Werkstätten gekündigt wurde. Sie sollen dem »Theater der Keller«, das ebenfalls aus seinen früheren Räumlichkeiten ausziehen muss, Platz machen.

Hier werden also unterschiedliche Kunst-, Kultur- und Politikprojekte ­gegeneinander ausgespielt. Das »Assata im Hof« fordert eine konsequente Förderung von »selbstorganisierten Räumen von Frauen, Lesben, nicht­binären, trans*- und intersexuellen Menschen«, dafür solle die Stadt den Gebäudekomplex am Kartäuserwall zurückkaufen und den Milieuschutz in der südlichen Innenstadt durch­setzen.

Neben diesen klassischen Einrichtungen der linken Szene haben es auch andere Projekte schwer. Der Verein Agisra betreibt eine Beratungsstelle für Geflüchtete und von Gewalt betroffene Frauen am Heumarkt; er soll im Herbst seine Räumlichkeiten verlassen. Für viele von Frauenhandel, Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung und weiteren Formen sexueller Gewalt betroffene Frauen ist sie die erste An­laufstelle. Die Suche nach neuen, zentral gelegenen Räumlichkeiten war ­bisher erfolglos. Die Beratungsstelle vermisst Unterstützung durch die Stadtverwaltung.

Hohe Mieten, eine boomende Innenstadt – die Stadtverwaltung will davon profitieren. Was unangenehm ist, soll an den Stadtrand weichen oder ganz verschwinden. Das dürfte nicht unbedingt die Politik sein, auf die viele ­gehofft hatten, als sie 2015 Henriette Reker wählten, die den Grünen näher steht als der CDU.