Knesset oder Knast
Inzwischen sei, wie der israelische Journalist Meron Rapoport im linken Online-Portal +972 am 27. August schrieb, die Sicherheitspolitik innenpolitisch kaum noch ein Thema – und mitunter kämen die Differenzen innerhalb von Netanyahus Bündnis rechter Parteien zum Vorschein. So scheiterte nach den Knesset-Wahlen im April eine erneute Regierungsbildung an Konflikten zwischen rechtszionistischen und ultraorthodoxen potentiellen Bündnispartnern.
Umstritten war bei den Koalitionsverhandlungen unter anderem Netanyahus Absicht, sich als Ministerpräsident Immunität zu verschaffen. Es ist juristisch umstritten, ob in Israel ein amtierender Ministerpräsident Immunität vor Strafverfolgung genießt. Bis 2005 konnte Netanyahu als Mitglied der Knesset ohnehin nicht wegen Verbrechen angeklagt werden, die mutmaßlich vor oder während seiner Amtszeit begangen wurden, es sei denn, das Parlament hätte seine Immunität aufgehoben. Seit 2005 genießen Abgeordnete nur noch Immunität, wenn ein Knesset-Ausschuss ihnen diese in Einzelfällen nach einer Abstimmung gewährt.
Nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen legte im Frühjahr ein Likud-Abgeordneter einen Gesetzentwurf vor, der die Immunitätsregel wieder ausgeweitet hätte. Dadurch wäre Netanyahu als Abgeordneter vor Strafverfolgung geschützt. Gegen den Entwurf gingen in Tel Aviv Zehntausende auf die Straße, darunter die gesamte Führung der Oppositionsparteien. Daraufhin sagte Netanyahu im Juli, er habe nicht die Absicht, die geltende Immunitätsregelung zu ändern, denn es sei nichts vorgefallen, wofür er eine solche Änderung nötig habe.
Zusätzlich zu dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf gewann Anfang August David Bitan, ein Abgeordneter von Netanyahus Likud, die Unterschrift aller Likud-Abgeordneten für eine umstrittene Petition. »Ungeachtet des Wahlergebnisses ist Netanyahu der einzige Kandidat des Likud für das Amt des Ministerpräsidenten, und es wird keinen anderen Kandidaten geben«, heißt es darin. Damit wollte sie eine vom oppositionellen Parteienbündnis Blau-Weiß angestrebte Regierung mit dem Likud, aber ohne Beteiligung Netanyahus ausschließen.
»Der Likud wurde gestern offiziell zu Netanyahus Marionettenpartei«, sagte daraufhin die Führung der oppositionellen Demokratischen Union in einer Erklärung. Netanyahus ehemaliger politischer Verbündeter von der rechtszionistischen Partei Yisrael Beiteinu, Avigdor Lieberman, verglich den Politikstil des Likud gar mit dem des nordkoreanischen Regimes.
Indessen hat Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit die Anhörung Netanyahus zu den gegen ihn erhobenen Korruptionsvowürfen für Anfang Oktober anberaumt. Sie würde somit voraussichtlich in die Zeit der Koalitionsverhandlungen nach den Neuwahlen am 17. September fallen. Für Netanyahu sind das keine guten Voraussetzungen. Egal wie das Wahlergebnis ausfällt, wird er in einer deutlich geschwächten Position sein.