Ein der Linkspartei nahestehender Gutachter kritisiert, dass sich die »Arbeitsdefinition Antisemitismus« auch auf Israelhasser anwenden lässt

Nur rechts ist echt

Der Antisemitismus in Deutschland ist äußerst bedrohlich. Doch ein von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegebenes Gutachten wendet sich gegen die von Experten und Behörden anerkannte Arbeitsdefinition.

Ist es Ignoranz, verzerrte Wahrnehmung der Realität oder bewusste Politik? Kurz nach dem versuchten antisemitischen Massenmord von Halle, der ­Bekanntgabe erschreckender Studienergebnisse des World Jewish Congress zu antisemitischen Einstellungen in Deutschland, erneuten körperlichen Angriffen auf Juden und Jüdinnen und Wahlerfolgen der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen wird wieder einmal der »Antisemitismusvorwurf« kritisiert und eine internationale Arbeitsdefini­tion des Antisemitismus angegriffen.

Auch nach dem Anschlag in Halle scheint die angebliche Bedrohung der Meinungsfreiheit sogenannter Israel-Kritiker viele Gemüter noch immer am meisten zu bewegen.

Auslöser der jüngsten Debatte ist ein »Gutachten zur ›Arbeitsdefinition Antisemitismus‹ der IHRA«, das der ­Soziologe und Kulturwissenschaftler Peter Ullrich für die Rosa-Luxemburg-Stiftung und Medico international angefertigt hat. Darin greift der Autor, wie er auf seinem Blog schreibt, die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) vom Mai 2016 als ein »begriffliches Instrumen­tarium« an, das »inhaltlich und hinsichtlich seiner Legitimität höchst umstritten« sei.

Die IHRA, der über 30 Staaten angehören, wollte mit der Arbeitsdefinition eine Grundlage für eine vergleichbare Erfassung und Bekämpfung von Anti­semitismus schaffen, mit der Behörden, Bildungsträger sowie politische Insti­tutionen arbeiten können. Sie ist bewusst als »Arbeitsdefinition« gefasst und ist rechtlich nicht bindend. Die Kerndefinition lautet: »Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.« Ergänzt wird die Definition um Erläuterungen und eine Liste von Beispielen. Die Bundesregierung hat sich der Definition im September 2017 angeschlossen und sie um den Satz erweitert: »Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der ­dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.«