Der Antisemitismusskandal bei Islamic Relief

Ein zuverlässiger Partner

Kürzlich wurden antisemitische und terrorverherrlichende Aussagen führender Mitglieder der internationalen Hilfsorganisation »Islamic Relief« bekannt. Das hat mittlerweile auch in Deutschland Konsequenzen.

In den sozialen Medien rutscht selbst Personen, die sonst in der Öffentlichkeit Vorsicht walten lassen, manchmal eine verräterische Äußerung heraus. Der Direktor der Hilfsorganisation Islamic Relief Worldwide (IRW), Heshmat Kha­lifa, hatte unter anderem im Jahr 2015 auf Facebook Juden als »Enkel von ­Affen und Schweinen« bezeichnet. Die britische Tageszeitung The Times machte dies Ende Juli öffentlich. Kurz darauf trat Khalifa von seinen Ämtern zurück. Bevor er vor zwei Jahren in den Vorstand des IRW berufen worden war, hatte er mehrere Jahre lang für den Islamic Relief Deutschland (IRD) gearbeitet.

Zum Nachfolger wurde zunächst ­Almoutaz Tayara bestimmt. Der Arzt aus dem nordrhein-westfälischen Neuss war jedoch ebenfalls durch antisemitische und terrorverherrlichende Beiträge in sozialen Medien aufgefallen. Neben der Glorifizierung der Qassam-Brigaden, des militärischen Arms der Hamas, hatte er 2014 eine Karikatur verbreitet, in der der damalige Präsident der USA, Barack Obama, eine Krawatte mit einem Davidstern trägt. Nach Bekanntwerden dieser Beiträge trat Tayara von seinen Ämtern beim IRW zurück, auch für das Amt des Vorsitzenden des IRD kandidiert er bei den Wahlen im Oktober nicht mehr.

Die Organisation schrieb in einer im Internet verbreiteten Stellungnahme, Tayara habe »zwischen 2014 und 2015 insgesamt drei Posts auf seinem privaten Facebook-Account geteilt, die unangemessen und mit den Werten und Grundsätzen von IRD nicht vereinbar waren«. Man habe vor drei Jahren von den Postings erfahren und den da­maligen Vorsitzenden damit konfrontiert. Der Arzt habe sich nach eigenen Angaben über den »Krieg zwischen Israel und Palästina sehr emotionalisiert« und deshalb »zu diesen Posts hinreißen lassen«. In einem Gespräch soll sich Tayara damals eindeutig von Form und Inhalt der Postings distanziert haben. Der IRD nahm die Entschuldigung an.

Im Gespräch mit der Jungle World begrüßte der stellvertretende Geschäftsführer und Pressesprecher der IRD, Nuri Köseli, dass der Vorstand in diesem Fall schnell gehandelt habe und »den Rücktritt erwirken konnte«. Die von Tayara getätigten Äußerungen stünden, so Köseli, in klarem Widerspruch zu den Werten des IRD. Der ehemalige Vorsitzende sei »nicht mehr Teil unserer Organisation«.

Das Verhalten und die Personal­rochaden der Organisation zeigen der Islamismusexpertin Sigrid Herrmann-Marschall zufolge jedoch, dass für den Verein »die Haltungen der Vorstandsmitglieder trotz öffentlicher Distanzierungen nicht das Problem darstellen, sondern die öffentliche Wahrnehmung und Kritik«. Die direkten Verbindungen zwischen der deutschen Abteilung von Islamic Relief und der ehemaligen Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD), die mittlerweile unter dem Namen Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG) firmiert, entlarvten die Verlautbarungen der Organisation als Marketing. Die DMG werde »vom Verfassungsschutz als deutschlandweit größte Organisation gesehen, in der Muslimbrüder aktiv sind«, so Herrmann-Marschall.

Einige bisherige Kooperationspartner des IRD gehen mittlerweile auf Distanz. Der Vorstand von »Aktion Deutschland hilft«, einem Bündnis von Hilfsorganisationen, hat die Mitgliedschaft des IRD bis auf weiteres ausgesetzt. Die Organisation soll die Möglichkeit erhalten, ihre Strukturen und ihr Vor­gehen zu überarbeiten. Die internationale Nichtregierungsorganisation Transparency International mit Sitz in Berlin berät noch darüber, ob die Zusammenarbeit mit Islamic Relief gänzlich beendet werden soll. Das »Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt« (BfDT) hat den Eintrag des Projekts Muslimisches Seelsorgetelefon (MuTeS), dessen Träger der IRD ist, aus seiner Datenbank entfernt.

Die Städte Berlin und Köln wollen hingegen an der Zusammenarbeit mit dem IRD festhalten. Beide fördern das Seelsorgetelefon. Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung bezuschusst das Projekt im Rahmen des sogenannten Integrierten Gesundheitsprogramms. Die Anfrage der Jungle World, weshalb sie mit einem Trägerverein zusammenarbeite, den das israelische Verteidigungsministeriums als »Teil des ­Finanzsystems der Hamas-Organisation« einstuft, beantwortete die Senatsverwaltung nicht.
Nach Ansicht des Kommunalen Integrationszentrums beim Amt für Integration und Vielfalt der Stadt Köln entbehrt es »derzeit einer sachlichen Grundlage«, die Zusammenarbeit mit dem IRD »auf rein lokaler Ebene« einzustellen. Man arbeite erfolgreich zusammen unter Einhaltung der Mindeststandards für Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in Köln. Zudem sei die Hilfsorganisation seit Jahrzehnten ein zuverlässiger Partner für Bund, Land und Kommune.