Die Expertenkommission zum Antisemitismus bei der Deutschen Welle hat ihren Bericht vorgestellt

Antisemitismus für die Reichweite

Der öffentlich-rechtliche Auslandssender Deutsche Welle hat eine externe Kommission damit beauftragt, den Vorwurf zu überprüfen, ihre arabische Redaktion und Partnersender verbreiteten Antisemitismus. Dem Prüfbericht zufolge erhöhte die Deutsche Welle ihre Reichweite im arabischen Raum nicht zuletzt durch antisemitische und israelfeindliche Inhalte.

In der Berichterstattung der Deutschen Welle (DW) zum Nahen Osten seien zwar »in der überwiegenden Mehrheit keine antisemitischen Tendenzen zu finden«, aber dennoch teilweise schwere Fehler geschehen, die Konsequenzen haben müssten. So steht es im externen Untersuchungsbericht, den der öffentlich-rechtliche Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland in Auftrag gegeben hatte und der am Montag der vergangenen Woche vorgestellt wurde. Die Suspendierung von fünf DW-Mitarbeitern aufgrund antisemitischer Äußerungen in den sozialen Medien, die von der Süddeutschen Zeitung und dem Magazin Vice aufgedeckt worden waren, sei gerechtfertigt; auch bei acht weiteren hätten sich judenfeindliche Aussagen nachweisen lassen. Zudem empfiehlt der Bericht, die Kooperation mit dem Partnersender Ma’an News Palestine zu beenden. Die Zusammenarbeit mit weiteren Sendern im arabischen Raum solle von deren Zusage abhängig gemacht werden, künftig keine antisemitischen Inhalte mehr zu vermitteln.

Die Deutsche Welle verharmloste laut Prüfbericht von der Hamas organisierte Ausschreitungen an der Grenze zwischen dem Gaza-Streifen und Israel als »zivilgesell­schaftliches Engagement«.

Mit der Untersuchung beauftragt hatte die DW die Islamismusexperten Ahmad und Beatrice Mansour sowie die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine ­Leutheusser-Schnarrenberger. Das Trio sprach mit 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DW, nahm Social-Media-Accounts in Augenschein und widmete sich auch der Berichterstattung der arabischen Redaktion des Senders. Dabei bestätigte sich nicht nur, was bereits in der Süddeutschen Zeitung und bei Vice zu lesen war, vielmehr stießen die Prüfer noch auf wei­tere antisemitische Inhalte. Vor allem in den sozialen Medien agierten verschiedene DW-Mitarbeiter diesbezüglich teilweise unverblümt.

So schrieb einer beispielsweise, die Juden spielten »die Opferrolle seit dem Holocaust«. Ein anderer behauptete, Juden kontrollierten »die Gehirne der Menschen durch Kunst, Medien und Musik«. Wieder ein anderer veröffentlichte einen Beitrag, in dem es hieß: »Hitler (…) verbot es den Banken, Zinsen zu nehmen, was auch die Arbeit der Juden war. Hitler wollte Deutschland nicht zerstören, wie es die Juden mit Russland getan haben. Die bolschewistische Revolution war jüdisch.« Ein Kollege von ihm fragte: »Wie kommt es, dass die Juden bis heute Tränen über die Holocaustopfer vergießen, während die Zionisten die Verbrennung der Palästinenser fordern?!!!«

Viele solcher Beispiele für klassischen oder israelbezogenen Antisemitismus führen die Mansours und Leutheusser-Schnarrenberger in ihrem Prüfbericht auf. Zwar sei es nur eine Minderheit der mehr als 200 Mitarbeiter der arabischen Redaktion der DW, die sich in den sozialen Medien so geäußert habe, schreiben sie. Hinzu kämen allerdings einseitige, israelfeindliche Beiträge im Programm der DW, außerdem passten mehrere Moderatoren und Experten nicht zum Leitbild des Senders. So sei etwa der Journalist Abdel Bari Atwan von 2015 bis 2020 insgesamt 70 Mal als Studiogast eingeladen worden, obwohl er für seine antisemi­tischen Äußerungen bekannt sei, wie auch für seine Sympathien für Osama bin Laden, Saddam Hussein, das ira­nische Regime sowie für die Hizbollah und die Hamas.

Eine »verzerrte und teils auf objektiven Unwahrheiten beruhende Berichterstattung« über den jüdischen Staat und den Nahost-Konflikt haben die Prüfer aber auch im deutschsprachigen Programm des aus Steuergeldern finanzierten Senders festgestellt. So habe die DW beispielsweise von der Hamas organisierte Ausschreitungen an der Grenze zwischen dem Gaza-Streifen und Israel als »zivilgesellschaftliches Engagement« verharmlost. Auch in ­anderen Fällen sei »das Hamas-Narrativ kritiklos dem deutschen Publikum praktisch ungefiltert weitergeleitet« worden. Hinzu kämen einseitige und falsche Darstellungen der israelischen Staatsgründung. Einige Beiträge der DW, so die Experten, bedienten eine Logik, der zufolge »für ein Ende des Konflikts der Staat Israel aufhören (müsste) zu existieren«. Eine solche Aberkennung des Existenzrechts Israels sei als antisemitisch zu bewerten.

Der Bericht von Ahmad Mansour, Beatrice Mansour und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger macht deutlich, dass die DW ihre Reichweite im arabischen Raum nicht zuletzt durch antisemitische und israelfeindliche Inhalte erhöht hat – sowohl in eigenen Beiträgen als auch in Äußerungen von Interviewgästen und im Zuge der Kooperation mit Partnersendern, ­deren programmliche Ausrichtung »deutlich den Positionen der DW entgegensteht, besonders hinsichtlich des Existenzrechts Israels, der Bedeutung des Holocaust (und der) Bewertung von Hizbollah und Hamas«, wie die Prüfer schreiben. »Kein Wachstum mit Anti­semitismus«, lautet daher ihre Empfehlung.

Der DW-Intendant, Peter Limbourg, gab bei der Vorstellung des Berichts bekannt, ein Trennungsverfahren gegen jene fünf Mitarbeiter eingeleitet zu haben, die bereits suspendiert worden waren. Die acht weiteren im Bericht genannten Verdachtsfälle und drei, auf die man selbst aufmerksam geworden sei, werde man umfassend prüfen. Ein Redaktionsleiter sei bereits zurückgetreten. Der Grünen-Politiker Volker Beck hält sie für »Bauernopfer«, wie er auf Twitter verlautbarte. Den »Reichweitenjunkies« von der DW fehlten »offensichtlich Compliance-Verfahren«. Es handele sich nicht um einen Betriebsunfall, sondern um »ein systemisches Versagen«. Nach der Lektüre des Berichts kann man Beck nur recht geben.