Die russischen Expansionsbestrebungen führen zu einer politischen Umorientierung der Nato

Hirntot gegen Putin

Fast 30 Jahre lang diente die Nato vor allem der Koordinierung multinationaler Militäreinsätze, nun führt die russische Aggressionspolitik zu einer Umorientierung.

Einer für alle, alle für einen – das Motto der drei Musketiere scheint auch das der Nato zu sein. Den meisten Menschen in den Mitgliedsstaaten Osteuropas gilt die Beistandsverpflichtung im Fall eines Angriffs als unerlässliche Sicherheitsgarantie, diese Ansicht herrscht nun auch in Schweden und Finnland vor. Nachdem die Nato fast 30 Jahre lang vornehmlich der gelegentlichen Koordinierung multinationaler Militäreinsätze diente, soll sie nun wieder Schutz vor einer Großmacht bieten, die weniger mächtig, aber auch weniger berechenbar ist als ihr Vorgänger, die von einer behäbigen Bürokratie beherrschte Sowjetunion.

Nicht erst seit der französische Präsident Emmanuel Macron im November 2019 den »Hirntod der Nato« diagnos­tizierte, ist jedoch anzuzweifeln, ob die Allianz dieser Rolle gewachsen ist. Die Frage stellt sich allerdings auch, ob ein Militärbündnis überhaupt ein Hirn, also politische Eigenständigkeit, besitzen kann oder sollte. Zweifellos hat der russische Präsident Wladimir Putin mit seiner Aggressionspolitik der zuvor kriselnden Nato ihre Daseinsberechtigung eindrucksvoll zurückgegeben. An den politischen Schwächen des Bündnisses ändert das jedoch nichts.

Diese Schwächen sind zum Teil eine zwangsläufige Folge der nationalstaatlichen Konkurrenz. Die Hoheit über das Militär ist der Kern staatlicher Souve­ränität, bei konkreten Verpflichtungen bleiben Regierungen daher vorsichtig. »Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird«, heißt es zwar in Artikel 5 des Nato-Vertrags. Doch jede Partei verpflichtet sich nur zu den Maßnahmen, »die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nord­atlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten«.

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