Der will doch nur spielen
Wer sich schon einmal einem städtischen Hundeauslaufgebiet genähert hat, wird die Situation kennen: Ein Kanide mit ausgeprägter Kieferpartie nähert sich einem in beträchtlichem Tempo, was der Besitzer oder die Besitzerin mit »Der will doch nur spielen« kommentiert.
In der Tat stellt man in dieser Situation nichts weiter als Spielmaterial für verantwortungs- und rücksichtslose Zeitgenossen dar, womit weniger die Vierbeiner als vielmehr deren Besitzer gemeint sind. Die wiederum verhalten sich in ihrer Rücksichtslosigkeit so, wie es die seit Jahrzehnten gängige Volkswirtschaftslehre unter dem Stichwort Spieltheorie als Apriori des menschlichen Verhaltens unterstellt: Im großen Weltspiel sucht der Einzelne unmittelbaren Nutzen oder Bequemlichkeit, ans belebte Drumherum verschwendet er keinen Gedanken; dass der Liberale zudem behauptet, aus diesem egoistischen Solipsismus entspringe irgend gesellschaftlicher Fortschritt, ist natürlich genauso dreist wie der praktizierende Spieltheoretiker im Park, mit dem Unterschied, dass dem Ökonomen auch noch Glauben geschenkt wird.
Dass der Liberale behauptet, aus dem egoistischen Solipsismus entspringe irgend gesellschaftlicher Fortschritt, ist natürlich genauso dreist wie der praktizierende Spieltheoretiker im Park, mit dem Unterschied, dass dem Ökonomen auch noch Glauben geschenkt wird.
Leider vollzieht die journalistische Sprache diesen Verzicht auf Rück- und Vorsicht mit. Direkt aus der Spieltheorie sind Akteure und Player in den Rede- und Schreibfluss gelangt: Diese Begriffe – gerne angewandt auf Politiker, paramilitärische Gruppen oder Großkonzerne – legen wie von selbst nahe, dass die so Bezeichneten wie im Spiel nur zur Probe handelten und dass keine realen bitteren und blutigen Folgen einträten.
Dasselbe Phänomen zeigt sich auch bei beliebten Verben: Maßnahmen werden nicht mehr geplant und eingeleitet, sondern angestoßen oder auf den Weg gebracht; auch hier klingt durch, wie wenig sich die Anstoßer um die Folgen kümmern, wenn etwa der Stein des Anstoßes eine Lawine auslöst, die allerlei unter sich begräbt.
Insbesondere das weithin geschätzte »Setzen auf etwas« drückt etwas Ähnliches aus. Es ist dem Glücksspiel entlehnt: Wer auf etwas setzt, begibt sich in Fortunas Hände, verzichtet auf rationales Kalkulieren möglicher Konsequenzen und leint seinen völlig unausgelasteten und ungeübten Rottweiler mitten in der Stadt ab.