Björn Höckes Auftritt in ­Würzburg war ein Reinfall, doch für die AfD läuft es derzeit gut

Höckes zwei Welten

In Würzburg wollte Björn Höcke am Sonntag den Jahrestag einer Amoktat instrumentalisieren, scheiterte aber am starken Gegenprotest. Es schien dort, als sei die AfD eine kleine isolierte Minderheit. Doch aktuelle Umfragen und Wahlergebnisse sprechen eine andere Sprache.
Raucherecke Von

Es war ein heißer Sonntagnachmittag in der Würzburger Innenstadt. Die meisten Menschen mieden die Sonnenstrahlen, doch einige Gruppen meist junger Leute liefen zielstrebig zum Barbarossa­platz, einem zentralen Knotenpunkt in Sichtweite des Bahnhofs. Einige von ihnen trugen große Schilder aus Karton.

Auf dem Platz warteten bereits knapp 60 Menschen auf den thüringischen AfD-Landesvorsitzenden und Faschisten Björn Höcke. Doch als dieser dann erschien, wurde er nicht etwa mit Jubel und ­Applaus begrüßt, sondern mit einem »Nazis raus!«-Sprechchor. Fast Tausend Gegendemonstranten umringten die AfD-Kundgebung. Als Höcke das Mikrophon ergriff, war selbst aus nächster Nähe kein Wort zu verstehen. Die meisten Höcke-Fans drehten sich lieber zum Gegenprotest als zu dem Ehrengast, mit dem sie kurz zuvor noch Selfies geschossen hatten.

Anlass von Höckes Besuch war der zweite Jahrestag einer Amoktat. Am 25. Juni 2021 hatte ein Mann somalischer Herkunft in der Altstadt wahllos auf Passanten eingestochen. Er tötete drei Frauen und verletzte fünf weitere Personen schwer. Inzwischen ist der Mann dauerhaft in einer Psychiatrie untergebracht. Gutachten zufolge ist er paranoid schizophren und hörte nach eigenen Angaben damals Stimmen, die ihm die Tat befohlen hätten.

Zur AfD-Kundgebung waren bekannte Rechtsextreme erschienen, darunter ein »Reichsbürger«, der einen schlecht besuchten Youtube-Kanal betreibt, und zwei Neonazis aus dem Umfeld der Partei »Der III. Weg«. Einer von ihnen trug auf seinem rechten Oberarm eine schwarze Kapitänsbinde, die das Tattoo einer Schwarzen Sonne verdecken sollte. Er besucht regelmäßig Versammlungen der verschwörungstheoretischen Szene in Würzburg. Auch aus diesem Umfeld waren zahlreiche Personen anwesend. Hinzu kam eine kleine Gruppe Jugendlicher. Einer trug ein »Refugees not welcome«-T-Shirt, ein anderer ein weißes Polohemd mit der Aufschrift »Heimat aber sicher« mit AfD-Logo. Zwischen ihnen stand ein Fahrrad mit einer Deutschland-Flagge, beschriftet mit »Asylterror-Stoppen!«.

Den verpatzten Auftritt in Würzburg dürfte Höcke schnell verschmerzt haben. Denn am selben Tag wurde zum ersten Mal ein AfD-Politiker in das Amt eines Landrats gewählt.

Am damaligen Tatort wollte die AfD eigentlich weiße Rosen ablegen. Doch dazu kam es nicht, der Gegenprotest versperrte den AfD-Anhängern den Weg. Etwa 3.000 Menschen protestierten gegen den AfD-Aufzug. Auch den Unteren Markt konnten die Versammelten, die dort eine Kundgebung mit Redebeiträgen abhalten wollten, wegen Sitzblockaden nicht erreichen. Schließlich gaben sie auf und Höcke ließ seine Kameraden in der Sonne stehen. Er wurde von seinem Personenschutz zur Limousine begleitet und fuhr davon, während der bayerischen AfD-Landtagsabgeordnete und ehemalige Polizeikommissar Richard Graupner noch mit der Polizei diskutierte.

Nicht einmal der Abbau der ungenutzten Bühne lief nach Plan. Ein Gegendemonstrant sprang über den Zaun und schnappte sich zunächst eine Deutschland-Flagge, später eine AfD-Flagge. Doch fiel er mit Letzterer hin und wurde unter Beifall anderer Gegendemonstranten von der Polizei abgeführt.

Den verpatzten Auftritt in Würzburg dürfte Höcke allerdings schnell verschmerzt haben. Denn am selben Tag wurde zum ersten Mal ein AfD-Politiker in das Amt eines Landrats gewählt. Im thürin­gischen Sonneberg erhielt der AfD-Kandidat Robert Sesselmann in einer Stichwahl gegen den CDU-Kandidaten 52,8 Prozent der Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von 59,6 Prozent.

Der faschistische Verleger und Politikberater Götz Kubitschek veröffentlichte auf seinem Blog eine Sprachnachricht, die Höcke ihm an jenem Sonntag auf dem Weg von Würzburg nach Sonneberg geschickt habe. In dieser klagt Höcke darüber, dass die Demonstration in Würzburg gescheitert sei, hofft aber, in Sonneberg »etwas ­Besseres« zu erleben; das seien eben »zwei Welten«. Kubitschek stimmt zu: »Würzburg und Sonneberg – das sind aus unserer, also aus widerständiger, patriotischer, rechtskonservativer Sicht zwei Welten«.

Die guten Nachrichten für die AfD reißen derzeit nicht ab. In Thüringen, wo im kommenden Jahr gewählt werden soll, war die AfD in Umfragen zur Landtagswahl zuletzt mit 28 Prozent die stärkste Partei. Und auf Bundesebene plant die AfD wegen ihrer anhaltend hohen Umfragewerte – seit Wochen steht sie zwischen 18 und 20 Prozent, etwa gleichauf mit der SPD –, diesmal einen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Die AfD-Co-Vorsitzende Alice ­Weidel würde wohl gerne selbst kandidieren, sagte vergangene Woche aber, dass »rein theoretisch« auch Höcke antreten könne.