Viele in der CDU fühlen sich der AfD näher als den Grünen

Brandmauern, die keine sind

Die CDU will weiterhin nicht mit der AfD zusammenarbeiten. Mit deren Unterstützung hat sie jedoch kein Problem.
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Der pflichtschuldige Aufschrei war schon mal lauter. Aber was soll man auch erwarten, wenn die Einschläge in die vermeintliche »Brandmauer« zur AfD in einer Frequenz erfolgen, die schwindelig machen kann. In der vergangenen Woche beschloss der Landtag von Thüringen mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD eine Gesetzesänderung, die die Grunderwerbssteuer in dem Bundesland von 6,5 auf fünf Prozent senkt.

Der Antrag dazu kam von der CDU, die hinterher einerseits sehr stolz auf sich war, diese Gesetzesänderung durchgebracht zu haben, aber andererseits so tat, als hätte sie mit der Zustimmung der AfD gar nicht gerechnet. Absprachen zwischen AfD und CDU zu der Steuersenkung habe es nicht gegeben, heißt es aus der CDU. Es habe sie sehr wohl gegeben, heißt es aus der AfD.

Unterstützung für ihr Vorgehen erhält die Thüringer CDU vom Bundesvorstand. Der Parteivorsitzende der CDU, Friedrich Merz, rüffelte statt der Thüringer Kollegen den CDU-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der den Vorgang in Thüringen eine »schwerwiegende Fehlentscheidung« nannte. »Die zunehmende Radikalisierung der AfD erfordert eine noch konsequentere Haltung gerade einer konservativen Partei«, sagte Günther. Merz nannte Günthers Äußerungen eine »Einzelmeinung in der CDU«. Es gebe »niemanden sonst, der das teilt«, so Merz. Die Thüringer CDU habe ihr Vorgehen »intern sehr eng abgestimmt, auch mit allen Landesverbänden der CDU«.

Der Parteivorsitzende der CDU, Friedrich Merz, rüffelte statt der Thüringer Kollegen den CDU-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der den Vorgang in Thüringen eine »schwerwiegende Fehlentscheidung« nannte.

Offenkundig wird gerade die Zusammenarbeit mit der AfD normalisiert, während man immer wieder betont, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten beziehungsweise es nicht »Zusammenarbeit« nennen zu wollen. Unfreiwillig deutlich machte diese Absurdität der Vorsitzende der Grundwertekommission der CDU, Andreas Rödder: »Die CDU darf nicht länger über falsche Brandmauern streiten. Das hat nur den Effekt, dass die AfD die CDU immer wieder vorführen kann«, sagte Rödder dem Magazin Stern.

Er warb dafür, dass die CDU Minderheitsregierungen bilden solle, die auch mal mit den Stimmen der AfD Vorhaben durchbringen könnten. »Problematisch wäre es erst, wenn sich die CDU offiziell von der AfD tolerieren ließe und dafür Absprachen eingehen würde. Das wäre eine rote Linie«, so Rödder.

Die geistigen Verrenkungen, die bei der CDU derzeit gemacht werden, um das eigene Verhalten unbedenklich erscheinen zu lassen, machen aber noch etwas deutlich: Dies sind keine partei­taktischen Erwägungen. Die Zusammenarbeit mit der AfD erfolgt bei weiten Teilen der Post-Merkel-CDU aus Überzeugung. Man fühlt sich der AfD in jedem Fall näher als den Grünen, erst recht der Linkspartei, die in Thüringen in einer Minderheitsregierung mit SPD und Grünen den Ministerpräsidenten stellt.

Im September des kommenden Jahres sollen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen Landtagswahlen stattfinden. In Umfragen ist die AfD derzeit in allen drei Ländern stärkste Kraft. Sollten sich die Werte nicht erheblich ändern, wäre es alles andere als eine Überraschung, wenn die CDU in einem oder mehreren Ländern mit der AfD kooperierte – wobei sie das freilich nicht so nennen würde.

Unterstützung für die Normalisierung einer Zusammenarbeit mit der AfD erfährt die CDU auch von anderer erwartbarer Seite. So präsentierte die Bild-Zeitung eine Umfrage des als rechts geltenden Meinungsforschungsinstituts Insa, der zufolge 62 Prozent der Befragten die Steuersenkung in Thüringen richtig finden.