Sofia Coppolas Biopic »Priscilla« über die Witwe von Elvis Presley

Ehe mit Elvis

Die US-amerikanische Regisseurin Sofia Coppola hat die 1985 er­­schienenen Erinnerungen von Priscilla Presley an ihre ­Beziehung zu Elvis Presley verfilmt. Auch wenn der Filmtitel etwas anderes verspricht: In »Priscilla« ist nicht die ­Protagonistin, sondern der Ehemann die facettenreichere Figur.

Priscilla Presley (Cailee Spaeny) hat einen Blasensprung. Während ­Elvis (Jacob Elordi) noch halb im Schlaf den Aufbruch in die Klinik anweist, klebt sie sich vor dem Badezimmerspiegel in aller Ruhe erst mal die künstlichen Wimpern an. Der stumpfe Automatismus der Make-up-Routine, die selbst ein so körpergewaltiges Ereignis wie eine bevorstehende Geburt nicht durcheinanderzubringen vermag, wird zur grotesken Pointe in einem Drama des fortschreitenden Selbstverlusts.

Zu Beginn von Sofia Coppolas »Priscilla« sind falsche Wimpern, Haarspray und Kajal noch ein Versprechen. Mit sichtbarem Wohlbehagen versinkt im Titelvorspann ein Paar Füße mit frisch lackierten Nägeln im auberginefarbenen Flokati, zärtlich gleitet die Kamera über die Oberflächen der verheißungsvollen Objekte im Elvis-Anwesen, nimmt Porzellanelefanten, Volant-Gardinen, Kronleuchter und andere Geschmacklosigkeiten in den Blick. Für einen kurzen Moment erscheint Graceland als ein mit Begehren aufgeladener – weiblicher – Raum, in dem tatsächlich Sehnsüchte in Erfüllung gehen könnten.

Falsche Wimpern müssen sein. Noch im Babydoll kontrolliert Priscilla Presley (Cailee Spaeny) ihr Make-up

Falsche Wimpern müssen sein. Noch im Babydoll kontrolliert Priscilla Presley (Cailee Spaeny) ihr Make-up

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Was Sofia Coppola an der Biographie von Priscilla Presley interessiert, oder sie vielmehr angefunkelt hat, scheint naheliegend. Das Leben im goldenen Käfig, Celebrity-Kultur, Teenage-Sehnsüchte, Ennui, Wiederholung, Leere, Melancholie – all das findet sich bereits, in unterschied­lichen Gewichtungen, in ihren Filmen »The Virgin Suicides« (1999), »Lost in Translation« (2003), »Marie Antoinette« (2006) und »The Bling Ring« (2013).

Dass die Erben die Rechte an den Songs verweigerten, ist kein Nachteil. Coppolas Blick gilt ohnehin dem »Haus-Elvis«, nicht dem Bühnen-Elvis.

Der neue Film setzt die Beschäftigung mit den bewährten Themen fort, fügt ihnen aber nichts Substantielles hinzu, im Gegenteil: Die eigengesetzlichen und zuweilen tranceartig gezeigten (Anti-)Handlungsräume, für die die Regisseurin sonst ein so feines Gespür hat, können sich im Rahmen des (von ihr selbst verfassten) Drehbuchs gar nicht erst entfalten.

Brav arbeitet dieses sich von Station zur Station: von der ersten Begegnung der beiden 1959 auf einem Armeestützpunkt in Deutschland bis zur Trennung des Paars 14 Jahre später. Grundlage ist die 1985 ver­öffentlichte Biographie »Elvis and Me. The True Story of the Love Between Priscilla Presley and the King of Rock N’ Roll« (1985) von Priscilla Presley und Sandra Harmon. Anders als Baz Luhrmann, der dem Superstar in ­einem überbordenden, verschachtelten Epos huldigte (»Elvis«, 2022), ­versucht sich Coppola an einer kritischen Betrachtung. Dass die Erben die Rechte an den Songs verweigerten, ist dabei kein Nachteil. Coppolas Blick gilt ohnehin dem »Haus-Elvis«, nicht dem Bühnen-Elvis.

Priscilla Ann Beaulieu (Cailee Spaeny) ist 14, als sie Elvis kennenlernt

Priscilla Ann Beaulieu (Cailee Spaeny) ist 14, als sie Elvis kennenlernt

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Priscilla Ann Beaulieu ist 14, als sie Elvis kennenlernt, er 24. Sie ist ein verträumtes, etwas trauriges Schulmädchen, er ein betörend gutaus­sehender Mann mit magnetischer Strahlkraft und der »King of Rock ’n’ Roll«. Die Besetzung betont das asymmetrische Verhältnis schon äußerlich; im Vergleich zu den realen Personen wird die Größendifferenz zwischen Elvis und Priscilla noch um gut einen Kopf übertroffen: Jacob Elordi, der im Vergleich zu Austin Butler, dem Elvis-Darsteller im Film Luhrmanns, eine eher introvertierter Ausstrahlung besitzt, ist ein baumlanger Typ von annähernd zwei Metern; seine zierliche Filmpartnerin Cailee Spaeny erreicht – ohne Bee­hive-Frisur – nur knapp seine ­Schulter.

Coppola inszeniert die ungleiche Verbindung von Beginn an im Unschärfebereich von romantischer Liebe und missbräuchlicher Beziehung. Als Priscilla zum zweiten Mal zu einer Party im Haus des Musikers in Bad Nauheim eingeladen ist – ein Freund »rekrutiert« sie in einem Café der Air Force –, schickt er sie schon mal in sein Zimmer vor, ihr Vertrauen gewinnt er mit Sanftmut und Zurückhaltung. Die Anbahnungspraktiken des Stars, für die unsere Gegenwart alle möglichen Spezialbegriffe gefunden hat (»Hat Elvis Priscilla Presley gegroomt?« ist eine Frage, die auch im Zusammenhang mit dem Film viel diskutiert wird), setzt Coppola subtil und ohne Empörung in Szene. Sein Verhalten erzeugt zweifellos Unbehagen, bleibt aber ambivalent. Es geht nicht um Sex.

Graceland ist zum Gefängnis geworden, es ist dort eigentlich genauso öde wie in Bad Nauheim.

Elvis, seit dem Verlust der geliebten Mutter ein etwas verlorener Junge, sucht eine Vertraute, bei der er sich aussprechen kann: über sein Heimweh, seine Sorge, dass man ihn nach seiner Militärzeit zu Hause vergessen haben könnte, seinen großen Traum, im Kino bald so wahrhaftige Rollen zu spielen wie seine großen Vorbilder Marlon Brando und James Dean. Als er in die USA zurückkehrt und seine Karriere wieder in Fahrt zu bringen versucht, ermahnt er seine »Cilla«, weiter brav zur Schule zu gehen, und verlangt Briefe auf rosa Papier.

Der weltberühmte Soldat lässt die Fans ausflippen. Priscilla (Cailee Spaeny) ist schockverliebt

Der weltberühmte Soldat lässt die Fans ausflippen. Priscilla (Cailee Spaeny) ist schockverliebt

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In seiner Abwesenheit sitzt sie einsam über Matheaufgaben, von seinen Liebesabenteuern mit anderen Stars muss sie aus den bunten Blättern erfahren. Auch nachdem der King sie zu sich auf das Anwesen in Memphis holt, ist Priscilla auf die Rolle der Zuschauerin seines Lebens verwiesen. Zärtlich und süß ist er nur dann, wenn sie macht, was er will. Elvis richtet Priscilla nach seinen Wünschen her, er kleidet sie ein wie eine Anziehpuppe (kein Braun, keine Muster), diktiert ihr Frisuren und Make-up. Unter den schwarzgefärbten, hochtoupierten Haaren wirkt sie noch kleiner, noch zerbrechlicher.

Graceland ist zum Gefängnis geworden, es ist dort eigentlich genauso öde wie in Bad Nauheim. Einmal fällt der Blick von außen auf ein Fenster, hinter dem Priscilla wie festgefroren steht und sehnsuchtsvoll hinausschaut. Zum Douglas-Sirk-Drama aber fehlt die Figur, die das »women’s picture« ausfüllt.

Geiler roter Lack. Elvis (Jacob Elordi) schenkt Priscilla einen Flitzer

Geiler roter Lack. Elvis (Jacob Elordi) schenkt Priscilla einen Flitzer

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Während Coppola Elvis eine Reihe von widersprüchlichen und faszinierenden Seiten abgewinnt – von seinen Manipulations- und Kontrolltechniken über die künstlerischen Selbstzweifel bis hin zu seiner geradezu panischen Angst vor emanzipierten oder vermeintlich »männlich« agierenden Frauen –, fällt ihr zu Priscilla nicht mehr ein als die unerfüllte Teenagerin, die immerzu wartet: auf Elvis’ Rückkehr, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Interesse und Begehren.

Coppolas Filme haben sich schon immer der Gefahr ausgesetzt, die Unerfülltheit, Ödnis und Leere, von der sie erzählen, zu reproduzieren.

War anfangs seine Annäherung an die minderjährige Priscilla etwas creepy, so ist es nun seine Keuschheit. Kommen sich beide körperlich zu nah, klingt Elvis fast wie ein Evangelikaler – »Lass dich nicht fortreißen«, und: »Wir müssen uns ­zügeln«, rügt er Priscilla, die vor Verlangen fast umkommt, woran sich wenig ändert, nachdem sie volljährig ist und die beiden verheiratet sind.

Wenn Elvis nicht gerade von Tabletten betäubt bis in den Nach­mittag hinein schläft, ist das Bett vor allem Ort kuscheliger Fernsehabende. Es gibt auch Lesestunden und Kissenschlachten. In der seriellen Abfolge der immer gleichen Momentaufnahmen (das Frühstückstablett vor der Zimmertür) und Szenen (Abschiede, Priscillas »Ich vermisse dich«-Refrain) entsteht das Bild einer Ehe, die in tristen Wiederholungen gefangen ist.

Traumpaar mit Torte. Priscilla (Cailee Spaeny) und Elvis (Jacob Elordi)

Traumpaar mit Torte. Priscilla (Cailee Spaeny) und Elvis (Jacob Elordi)

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Coppolas Filme haben sich schon immer der Gefahr ausgesetzt, die Unerfülltheit, Ödnis und Leere, von der sie erzählen, zu reproduzieren. Dabei gelang es aber eigentlich immer, diese doch eher handlungs­armen Zustände mit einem Überschuss an Atmosphäre und Oberfläche produktiv zu machen, dahinter der Plot fast verschwand. In den konventionellen Erzählökonomien aber findet sich für ihren filmischen Impressionismus kein Raum. So ist der Film doch eher ein Biopic über einen leicht zwielichtigen Elvis, mit Priscilla als stiller Beisitzerin.

Priscilla (USA 2023). Buch und Regie: ­Sofia Coppola. Darsteller: Cailee Spaeny, Jacob Elordi, Dagmara Domińczyk. ­Filmstart: 4. Januar