Samstag, 25.08.2018 / 13:34 Uhr

Koba, Katzen und Khinkali: Going Underground

Von
Jörn Schulz

In einem düsteren und feuchten Gewölbe, dessen Attraktion eine verrostete Druckmaschine ist, von einer glühenden Verehrerin Stalins ausführlich über dessen große Taten und die Untaten des derzeit in Georgien herrschenden „faschistischen“ Regimes belehrt zu werden, ist ein bizarres Erlebnis. Wenn Sie nach Tiflis reisen, sollten Sie dennoch das „Joseph Stalin Underground Printing House“ besuchen. Sprachliche Probleme müssen Sie allerdings einkalkulieren, denn es handelt sich nicht um ein offizielles Museum, sondern um eine Kultstätte, die von einer kleinen stalinistischen Partei betrieben wird, die dort auch ein Büro hat. Es gibt vor einem Stalin-Bild tatsächlich so eine Art Altar.


Es ist allerdings auch etwas kleingeistig, diesen Ort wegen des Stalin-Kults geringzuschätzen. In den Jahren 1903 bis 1906, in denen die Untergrunddruckerei betrieben wurde, war Stalin noch kein Stalinist. Eigentlich geht es hier um die Geschichte des revolutionären Sozialismus und der Arbeiterbewegung. Der spätere sowjetische Kult um Stalin frühe "Kämpferjahre" ist ein Thema für sich, interessant und historisch bedeutsam, aber nicht zu verwechseln mit der Wirklichkeit, die unter der dicken Schicht der Mythologie schwer hervorzuholen ist. Allzu bedeutend kann Stalins Rolle in dieser Untergrunddruckerei aber nicht gewesen sein, da er 1903 nach Sibirien verbannt wurde. Bei seinem zweiten Fluchtversuch gelangte er bis Tiflis, er war jedoch Reisekader und dürfte sich nicht nicht lange in der Stadt aufgehalten haben. Mit sichtlichem Stolz wird uns dennoch das mit verstaubten Kordeln abgeschirmte Bett gezeigt, in dem Stalin gelegentlich geruht haben soll. Wenn er denn je geruht hat, woran unsere Stalin-Verehrerin Zweifel äußert – allerdings mit einem unstalinistischen Anflug von Ironie. Hilfe bei der Finanzierung im Fall der Anerkennung als Museum soll, so wurde uns erzählt, ein chinesischer General angeboten haben. Die Globalisierung geht manchmal seltsame Wege.


Ein Erlebnis ist gerade beim ersten Mal auch die Fahrt mit der 1966 eröffneten Metro, genauer gesagt die rasante und leicht schwindelerregende Fahrt mit der Rolltreppe in eine Tiefe, die auch Schutz vor nuklearen Explosionen bieten sollte – die Metro ist Teil eines weit verzweigten Tunnel- und Bunkersystems. Ohne dieses sowjetische Transportsystem wäre der öffentliche Nahverkehr hier wohl völlig überlastet. Das postsowjetische Georgien könnte sich so ein Projekt nicht leisten – es sei denn, ein chinesischer General hilft. Rollstuhlfahrer und Kinderwagen sind von der Beförderung allerdings ausgeschlossen, ebenso wie alle, die nicht gut zu Fuß sind.


Ich hatte Ihnen versprochen, auf das Thema Katzen zu sprechen zu kommen. Sie sind seit früheren Zeiten zum Glück etwas kleiner geworden, aber die in unserem Hof sind, obwohl selbst für Hauskatzen recht klein, immer noch sehr kämpferisch. Und sehr wählerisch, was die Nahrung betrifft, mit der sie gefüttert werden wollen. Das gilt auch für uns, und nun erfahren Sie endlich, was ein Khinkali ist. Es handelt sich um einen Dumpling oder auch eine georgische Maultasche. Der Teigbeutel wird mit Fleisch, Käse, Pilzen oder etwas anderem gefüllt. Der Teiggriff wird nicht mitgegessen und es gilt als ungehörig, beim Verzehr Messer und Gabel zu benutzen. Ich will an dieser Stelle nicht alle georgischen Spezialitäten aufzählen, erwähnt sei nur noch das Chatschapuri, überbackenes Käsebrot  in diversen Varianten, und die gekonnte Verwendung von Walnüssen für allerlei Gerichte. So haben wir dann doch etwas mit Stalin gemeinsam, der auch in Moskau immer ein treuer Freund der georgischen Küche blieb.