Freitag, 07.01.2022 / 17:33 Uhr

Als Palästinenser aus Gaza in Griechenland Flüchtlingsselbsthilfe organisierten

Von
Mohammed Altlooli

Bidquelle: Leros Refugee Youth Group

In Griechenland haben wir, eine Gruppe von Oppositionellen aus dem Gazastreifen versucht, das Bild, das man sich in Europa von Flüchtlingen macht, zu verändern.

 

Ich erinnerte mich noch gut an den Tag meiner Ankunft in Griechenland nach sechsstündiger Überfahrt auf einem überfülltem Schlauchboot. Wie alle anderen auch, war ich froh, es geschafft und überlebt zu haben aber dann sah ich, wie es in diesem Flüchtlingslager in Leros aussah, das für die nächsten Monate mein Zuhause sein sollte.

In der ersten Woche, in der ich dort war, schlurfte ich zwischen den Unterkünften der Flüchtlinge hin und her und suchte das Gespräch mit ihnen. Ich habe mit ihnen über die Notwendigkeit gesprochen, dass jeder von uns engagieren sollte, denn das Lager befand sich in einem tristen Zustand.

Zu dieser Zeit begann sich auch das Corona Virus weltweit zu verbreiten und in Griechenland wurden die erste Fälle bekannt. Diese Nachricht verbreitet Angst in den unter den Flüchtlingen und ich war einer von ihnen. Bald wurde auch bekannt, dass es erste Ansteckungen im Flüchtlingslager gab, während es an Aufklärung fehlte. Das war für andere Palästinenser und mich der Auslöser, eine Gruppe ins Leben zu rufen und mit Aufklärung über das Virus und wie man sich schützen kann, zu starten.

 

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Aktivitäten mit Kindern in Leros

 

Wir wussten, wie schwierig so eine Initiative sein würde, zumal wir als Flüchtlinge nur finanzielle Unterstützung in Höhe von 90 Euro monatlich hatten, die natürlich ausreichten, auch noch Plakate zu drucken. Wir haben Kontakte zu den auf der Insel tätigen Organisationen geknüpft, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu besprechen. Leider ohne Erfolg und auch von den Vereinten Nationen gab es keine Antwort auf unsere Anfrage. Wir wussten nicht mehr, was wir noch tun sollten, als ich auf die Seiten anderer Flüchtlingsorganisationen in Lesbos, die „Moria White Helmets“ und das „Moria Corona Awareness Team“ stieß , die von einer griechischen Organisation unterstützt wurden. Ich rief sie an und es gab eine schnelle und positive Antwort, auch uns zu unterstützen. Und wir begannen zusammenzuarbeiten, um diese neue Idee auch in Leros zu verwirklichen, indem wir Plakate, Broschüren und Masken erhielten, die wir dann im Lagers verteilen konnten.

Es kam der Moment, in dem wir die Verwirklichung unserer Ideen und den Antrieb zum Infektionsschutz und die große Sorge um die Sauberkeit der Flüchtlingsunterkünfte spürten und fast täglich im Einsatz waren und Reinigungsarbeiten in der Umgebung durchführten. Wir hatten Erfolg und beschlossen, mit den Aktivitäten fortzufahren, die einen anderen Charakter annahmen, nämlich zu versuchen, die im Lager lebenden Kinder aus ihrer Isolation zu holen, um sie zu unterrichten und zu unterhalten. Wir organisierten auch kulturellen Aktivitäten und Wettbewerbe, an denen alle Lagerkinder und ihre Familien teilnahmen. Das war die Geburt der „Leros Refugee Youth Group“ für die wir auch eine Facebookseite öffneten.

Die griechischen Behörden entwickelten ein positives Verhältnis zu uns, da wir das Vertrauen der Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers gewonnen hatten und auch gute Beziehungen zu einigen Einwohnern der Insel unterhielten. Trotzdem hatten viele Angst vor uns, auch wenn wir nicht wussten warum, da wir ja zur Lösung von Konflikten und Problemen beitragen wollten.

 

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Haaretz vom 10.06.2021


In dieser spannungsreichen Situation kam eine israelische Freundin nach Leros, die als Fotografin für eine israelische Agentur arbeitet, um eine Geschichte über das Leben von Asylsuchenden zu schreiben, die aus Gaza geflohen waren. Sie half uns bei der Organisation vieler Treffen und wurde von allen Lagerbewohnern respektiert, auch von denen aus Gaza, die eines Tages ihren Wunsch nach Frieden zum Ausdruck brachten. Sie veröffentlichte später in der Zeitung Haaretz einen langen Bericht über diese Erlebnisse. Zeitgleich wurde meine Beziehung zu ihr Medien von Islamisten in Gaza und der arabischen Welt aufgegriffen, die mich daraufhin scharf angriffen und sogar mit dem Tod bedrohten, weil ich mich gegenüber einer Israelin kritisch über ihre Herrschaft geäußert hatte.

Aber ich wollte durch sie eine Botschaft des Friedens überbringen von uns Palästinensern aus Gaza. Leider verschlechterte sich meine Gesundheit in dieser Zeit und ich musste die Arbeit in Leros einstellen. Aufgrund des Drucks der Islamisten und meinem Engagement für Frieden im Nahen Osten lebe ich jetzt als Asylbewerber in Deutschland und genieße jeden Moment, aber ich wünsche mir, ich könnte ähnliche Aktivitäten wie in Griechenland organisieren!

 

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Verteilung von Masken 


Meine Erfahrung in Griechenland war gleichermaßen anstrengend und befriedigend, weil wir frei Aktivitäten und Projekte durchführen konnten, die in Gaza zu Verhaftung und Repression geführt hätten. Aber sie war auch ermüdend, weil wir so viele Geschichten über Krieg und Blutvergießen von den anderen Flüchtlingen hörten, insbesondere von Menschen aus Syrien und dem Irak! Bis heute muss ich viel über all diese Schicksale nachdenken und frage mich, wie man diesen Menschen weiter helfen kann.

Deshalb hoffe ich sehr, das sich die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, bald wieder nutzen kann, um an dieser Arbeit in Leros anzuknüpfen. Am liebsten würde ich sogar, wenn sich die Möglichkeit bietet, wieder nach Griechenland zurückkehren, wo die Situation in den Lagern weiter schlimm ist und es dringend solcher Projekte bedarf.