Sonntag, 21.05.2023 / 14:30 Uhr

Assad: So sehen Sieger im Nahen Osten aus

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Straße in Aleppo 2017, Bildquelle: White Helmets

Der triste Auftritt Bashar al Assads bei der Arabischen Liga wird nun gerne als Sieg bezeichnet. Vermutlich ist es einer, ja dann sogar einer der vielen Siege, die Assad in den letzten Jahren zu verzeichnen hat. Eigentlich siegte er schon, als 2013 klar wurde, dass man ihm im Weste seine Giftgasangriffe gegen die Zivilbevölkerung werde durchgehen lassen.

Auch siegte er 2015, als er kurz vor der endgültigen Niederlage, die Russen um massive Hilfe bat, die sie ihm dann auch gewährten, um in Folge in Ruinen zu bomben, was noch in Syrien stand.

Es gibt vieler solche Siege in der Geschichte Syriens seit 2011, die einen den alten Spruch erinnern lassen, dass wenn so Siege aussehen, man lieber zu den Verlieren gehören möchte.

Über einen weiteren dieser Siege schrieb Oliver M. Piecha vor fünf Jahren an dieser Stelle:

Der Sieg Assads ist einmal mehr der Sieg über Flüchtlinge und im Stich ­gelassene Rebellen in einer vielerorts verödeten Geisterlandschaft mit geplünderten Häusern, aus denen selbst die Stromkabel herausgerissen worden sind. Der Vormarsch der Regimetruppen hat nach Angaben der UN 140 000 Menschen zur Flucht gezwungen, für die sich weder der israelische Grenzzaun noch die Grenze nach Jordanien öffnen dürfte. Die »Versöhnungsabkommen« der Regierung mit den ­zurückgebliebenen Rebellen und ­Bewohnern sind de facto Kapitulations­erklärungen. Das Regime ist – zumal unter den Augen der Russen, die derzeit ein Interesse an der Einhaltung des ­Abkommens haben – gezwungen, die Vereinbarungen zu respektieren. Die Entwicklung in den eroberten Gebieten ist jedoch kaum absehbar.

»Wir haben versagt. Und das Versagen geht weiter. Das Leiden geht weiter.«

Eine Rolle spielen dabei die divergierenden Interessen der verschiedenen Akteure auf Seiten des syrischen Regimes, also etwa der iranisch kontrollierten schiitischen Milizen, der auf Assad eingeschworenen Warlords, der ­syrischen Armee und der russischen Militärpolizei, die solche Abkommen überwachen soll.

Dadurch entsteht in den ehemaligen Rebellengebieten eine sehr komplexe und durch die jeweiligen lokalen Bedingungen bestimmte Situation. Angesichts der Entvölkerung ganzer Regionen, der Millionen Flücht­linge und der Zerstörung der Infrastruktur ist mittel- und langfristig unklar, wie dieser Sieg über die Rebellen stabilisiert werden könnte.

Die Kosten für einen Wiederaufbau Syriens liegen über 250 Milliarden Dollar. Weder Russland noch der Iran kann eine solche Summe aufbringen, sie würden sie auch kaum für Assad ausgeben. Die Golfmonarchien, deren Intervention in den syrischen Krieg rundweg gescheitert ist, werden sich ebenfalls nicht beteiligen.

Dass die ­Europäer am Ende alles zahlen werden, ist auch unwahrscheinlich, zumal das syrische Regime aus Gründen der Selbsterhaltung das, was den Staaten der EU das wichtigste Anliegen ist, nicht zulassen kann: die Rückkehr von mindestens sieben Millionen Syrern aus dem Ausland, bei denen es sich überwiegend um Sunniten handelt. (...)

Auch die Zukunft der mit über drei Millionen Flüchtlingen völlig überbevölkerten Region um Idlib im Norden des Landes ist ungewiss. Hier herrschen Islamisten unter dem Schutz der ­türkischen Armee in einer Art neoosmanischem Protektorat. Erobern ließe sich dieses Gebiet kaum, zumal die Frage wäre, was das Regime in Damaskus mit den vielen überwiegend sunnitischen Flüchtlingen anfangen soll, die man ja zuvor aus anderen Landesteilen vertrieben hat. Ein erstes unheilvolles Zeichen haben die USA auch hier ­gesetzt, indem sie im März die Zahlung von 200 Millionen Dollar zur Finan­zierung von 150 syrischen NGOs in Idlib plötzlich aussetzten. Die Ersparnis für die USA ist gering, der Zusammenbruch dieser Hilfsinfrastruktur aber spielt den Islamisten in die Hände, an die sich die Menschen nun wenden müssen. »Jeder von uns, der in den vergangenen Jahren in die Syrien-Politik involviert waren, muss in den Spiegel schauen und das Scheitern erkennen«, sagte Tony Blinken, der unter US-Präsident Barack Obama stellvertretender Außenminister war. »Wir haben versagt. Und das Versagen geht weiter. Das Leiden geht weiter.«

Heute ist Blinken wieder Außenminister und das Versagen geht einfach weiter.