Montag, 05.08.2024 / 10:17 Uhr

Nahost: Eskalation der Schlichter

Plakat im Iran, das die Vernichtung Israels ankündigt, Bildquelle: Fars

Auf Drohungen des Iran, nach der Tötung von Ismael Haniyya Israel massiv angreifen zu wollen, reagiert das deutsche Außenministerium mit Rufen nach Deeskalation.

Nach den Tötungen von Fuad Schukri, der rechten Hand von Hisbollah-Chef Nasrallah, und Ismail Haniyya, Leiter des Politbüros der Hamas, ruft Außenministerium Annalena Baerbock wieder einmal zur Deeskalation auf und reiht sich damit ein in eine lange Liste deutscher Politiker. Sie bittet alle an dem Konflikt beteiligten auf, einen kühlen Kopf zu bewahreni, eine Phrase, die sie in diesem Konflikt recht oft benutzt. Und selbstredend warnt sie wieder vor einem Flächenbrand. In die gleiche Kerbe schlägt auch der UN-Sicherheitsrat, der vor einer Eskalation des Konfliktes warntii.

Hört man der Außenministerin zu, gewinnt man leicht wieder einmal den Eindruck, im Nahen Osten hätten sich irgendwie einfach zwei Streithähne in die Haare bekommen und es bräuchte die vernünftige seit Jahren von deutschen Politikern gepredigte Äquidistanz, die alle zu einem kühlen Kopf ermahnen müsse, damit keine weitere Eskalation betrieben werde, um einen Flächenbrand zu verhindern.

An der Realität vorbei

Aber diese Perspektive auf den Konflikt geht weit an der Realität vorbei. Es handelt sich eben nicht um zwei gleichartige Streithähne. Was das iranische Regime in seiner Gesamtheit von anderen islamisch geprägten Despotien unterscheidet und besonders gefährlich macht, ist die Kombination aus einer revolutionär-aktivistischen, islamistischen Ideologie, dem staatlichen Streben nach der Technologie der Massenvernichtung und einem radikalen Antizionismus, der von ausnahmslos allen Fraktionen des Regimes geteilt wirdiii. Der Iran macht auch keinen Hehl aus seinem Vernichtungsantisemitismus, die Mullahs sagen es ganz offen, dass sie Israel von der Karte streichen wolleniv. Tatsächlich hat Iran auch schon weltweit Anschläge gegen Juden und jüdische Einrichtungen begangen, lässt stetig seine Stellvertreter (Hamas in Gaza, Hisbollah im Libanon, Huthis im Jemen sowie weitere Rebellengruppen in Syrien und Irak) gegen Israel kämpfen, hat bis vor wenigen Wochen jedoch noch nie Israel direkt attackiertv. Einerseits also revolutionärer Aktivismus mit Massenvernichtungswaffen gepaart mit Vernichtungsantisemitismus, andererseits bis vor wenigen Wochen keine direkten Angriffe von iranischem Boden aus auf Israel. Woher kommt diese Diskrepanz? Ihr Vernichtungsantisemitismus ist jedenfalls keine hohle, politische Phrase, der ist wirklich ernst gemeint. Denn irgendwelche praktischen Vorteile ziehen die Mullahs nicht aus ihrem Vernichtungsantisemitismus, er ist pure Ideologie, die zu 100% von den Mullahs verinnerlicht ist. Am Wille, Israel zu vernichten, kann es also auch nicht liegen. 

Und die Mittel, Israel anzugreifen, haben sie auch. Iran verfügt sowohl über eine Truppenstärke als auch über ein Arsenal an Waffen, das zu den umfangreichsten der Region gehörtvi

Glaubhafte Abschreckung

Der Grund dafür, dass Iran bis vor wenigen Wochen Israel nie direkt angegriffen hat (und auch vor wenigen Wochen nur sehr zögerlich), sondern immer nur Juden oder jüdische Einrichtungen in anderen Weltregionen, bzw. seine Stellvertreter hat kämpfen lassen, ist schlicht und ergreifend Angst. Was Israel in den 45 Jahren der Diktatur der Mullahs in Teheran vor einem direkten iranischen Angriff geschützt hat, ist einfach eine Ökonomie der Abschreckungvii. Israels Stärke, Fähigkeiten und Kapazitäten in Militär und Geheimdiensten, sowie natürlich seine Allianzen mit anderen westlichen Staaten, allen voran die USA, sind der einzige Garant vor einem Angriff der vernichtungsantisemitischen Mullahs. 

Frieden und Deeskalation im Nahen Osten setzen also nichts weiter als ein starkes, einschüchterndes Israel voraus. Die glaubhafte Abschreckung von Israels Feinden wirken einer Eskalation, einem Flächenbrand und der viel beschworenen Gewaltspirale entgegen. 

Will man Frieden im Nahen Osten, sollte man also Israel den Rücken stärken, allumfassend unterstützen und seine Gegner abschrecken. Zu dieser Ökonomie der Abschreckung zählen übrigens auch gezielte Eliminierungen der Entscheidungsträger im Feindesland, beispielsweise Schukri im Libanon oder Haniyya im Iran. 

Wenn also Baerbock alle am Konflikt beteiligten, darunter natürlich auch Israel, zu Zurückhaltung ermahnt, so ist dies schlicht kontraproduktiv. Möchte sie deeskalieren, sollte sie lieber Israel in wirklich allen Belangen unterstützen und umso schärfer Israels Feinde abschrecken. Beispielsweise durch ökonomische oder politische Sanktionen gegenüber dem Iran, aber ob das jemals passiert, steht in den Sternen. 

Dabei kennt Baerbock das Prinzip Abschreckung in heimischen Gefilden sehr gut: Baerbock begrüßte erst neulich ausdrücklich die geplante Stationierung von US-Langstrecken-Waffen in Deutschland mit den Worten: „Was uns jetzt schützt ist, dass wir in unsere eigene Sicherheit und Stärke investieren“viii

Man stelle sich nur vor, Netanjahu würde nun umgehend nach Berlin reisen und angesichts der geplanten Stationierung dieser US-Langstrecken-Waffen alle Beteiligten, also sowohl Moskau als auch Berlin, gleichermaßen vor einer Eskalation warnen und die Hitzköpfe in Moskau und Berlin zur Zurückhaltung mit einem kühlen Kopf ermahnen. Undenkbar, aber genau das passiert gerade und eigentlich schon sehr lange, nur eben andersrum.

Noch kontraproduktiver als Baerbock erscheint derzeit Großbritannien. Dort wird debattiert, die Waffenverkäufe an Israel komplett einzustellenix. In Israel hat man selbstredend längst erkannt, was ein solcher Stopp an Waffenverkäufe an Israel bedeuten würde: 

Ein klares Zeichen für Israels Feinde, weiter zu eskalieren.

 

Anmerkungen: