Sonntag, 08.09.2024 / 20:43 Uhr

Für einen gerechten Frieden in Gaza?

Ein Kurzer Kommentar zur Petition „Für einen gerechten Frieden in Gaza“, die von sieben Hilfs- und Friedensorganisationen darunter CARE Deutschland, Oxfam, medico sowie die IPPNW Mitte August 2024 gestartet wurde. (https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-einen-gerechten-frieden-in-gaza-waffenexporte-stoppen-hilfsblockade-beenden)


Die Petition formuliert eine Vielzahl von Forderungen, die auf den ersten Blick humanitäre und friedensfördernde Ziele verfolgen. Doch wie so oft in der politischen Rhetorik bedarf es nicht einmal einer tiefergehenden Analyse, um zu erkennen, welche Konsequenzen diese Forderungen tatsächlich mit sich bringen. 


 Ein kritischer Blick auf die Petition offenbart Widersprüche und gefährliche Simplifizierungen, die nicht nur die Komplexität des Konflikts ignorieren, sondern auch die Menschen in Israel als die Schuldigen am aktuellen Krieg in Gaza darstellen. Sie thematisiert nicht, dass es die Hamas war, die am 7. Oktober 2023 den Waffenstillstand durch einen Überfall auf Israel und das schlimmste antisemitische Massaker seit dem 8. Mai 1945 brach. Die Petition übernimmt dabei auch fragwürdige Positionen.


 Zunächst fällt der Appell auf, dass die Bundesregierung sich „entschiedener für einen sofortigen Waffenstillstand“ einsetzen und „den Schutz der Zivilbevölkerung“ einfordern solle. Diese Forderung ist grundsätzlich nicht falsch – wer könnte gegen den Schutz von Zivilistinnen sein? Doch die Idee eines sofortigen Waffenstillstands verschleiert die Realität der Situation, indem sie die Frage nach der Verantwortung für die Gewalt ignoriert. Ein Waffenstillstand, der die Hamas, die Organisation, die für das Massaker am 7. Oktober 2023 verantwortlich ist, unbehelligt lässt, wäre eine unvollständige und letztlich gefährliche Lösung. Er würde den eigentlichen Ursachen der Gewalt nicht gerecht und der Hamas Zeit und Raum verschaffen, ihre menschenverachtenden Strategien fortzuführen, ohne dass internationale Akteurinnen dies verhindern könnten.


 Besonders bedenklich ist die Forderung, sich für die „Freilassung aller Geiseln und unrechtmäßig Festgehaltenen“ einzusetzen. Hier zeigt sich eine erschreckende Nähe zur Rhetorik der Hamas, die genau dies als Rechtfertigung für ihre Geiselnahmen am 7. Oktober genutzt hat. Die Geiseln, die von der Hamas auf brutalste Weise verschleppt wurden, dienen als Druckmittel, um israelische Gefangene freizupressen. Eine Forderung, die beide Seiten der Medaille – die legitime Strafverfolgung von Kriegsverbrechen und die Verbrechen der Hamas – gleichsetzt, ist nichts anderes als eine absurde Gleichstellung von Täter*innen und Opfern. Diese Form der moralischen Relativierung verkennt nicht nur die Tatsachen, sondern schwächt auch das internationale Recht, das Geiselnahmen eindeutig als Kriegsverbrechen verurteilt.


Ein weiteres gravierendes Problem dieser Petition liegt in der Forderung, das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu schützen und die „Kriminalisierung von grundgesetzlich geschützten Meinungsäußerungen“ zu beenden. Auch hier wird eine noble Idee – der Schutz der Meinungsfreiheit – instrumentalisiert, um antisemitische Hetze und Gewaltaufrufe zu legitimieren. Wer Parolen wie „Von der Spree bis nach Gaza: Intifada!“ auf den Straßen Berlins schützt, instrumentalisiert das Grundgesetz für eine Form der Meinungsfreiheit, die letztlich den Aufruf zu Gewalt gegen Jüdinnen und Juden deckt. Die Petition ignoriert dabei vollkommen, dass der Missbrauch der Meinungsfreiheit in solchen Fällen die ohnehin fragile gesellschaftliche Ordnung in Deutschland gefährdet und dazu beiträgt, die Feindseligkeiten, die der Nahostkonflikt bereits in Deutschland hervorruft, weiter anzuheizen.


Doch der eigentliche Kern dieser Petition liegt in einem gefährlichen Missverständnis des Begriffs der „Gerechtigkeit“. Gerechtigkeit im Nahostkonflikt kann nicht bedeuten, dass eine Seite in ihrer Gewaltanwendung legitimiert wird, während die andere dämonisiert wird. Die Forderung nach einem Ende der Blockade von Gaza und dem ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe ist zweifellos berechtigt. Aber diese Forderung kann nicht isoliert von der Tatsache betrachtet werden, dass die Hamas seit Jahren sowohl die humanitäre Hilfe als auch die Menschen in Gaza als Geiseln ihrer eigenen politischen Ziele missbraucht. Eine Aufhebung der Blockade ohne Sicherheitsgarantien würde nur dazu führen, dass sich die Infrastruktur des Terrors weiter festigt.


Abschließend lässt sich sagen: Diese Petition, die sich vermeintlich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt, verfehlt das Ziel, die tieferen Ursachen des Konflikts und die ethische Dimension von Gewalt und Terror zu erkennen. Stattdessen wird eine gefährliche Simplifizierung propagiert, die sowohl die Komplexität der geopolitischen Situation als auch die moralische Verantwortung verkennt. Für eine progressive Linke, die sich der Aufklärung und Emanzipation verpflichtet sieht, sollte klar sein: Gerechtigkeit kann nur auf der Grundlage einer klaren Ablehnung von Terror und Gewalt entstehen – und das bedeutet auch, die Verbrechen der Hamas nicht durch moralische Gleichsetzungen zu legitimieren. Es ist nicht nur eine Frage der politischen Klarheit, sondern auch eine Frage der ethischen Integrität.