Donnerstag, 05.09.2024 / 23:41 Uhr

Iran: Massiver Anstieg von Exekutionen dieses Jahr

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Vom UN-Menschenrechtsrat ernannte Experten richten einen dringenden Appell an den Iran, die Hinrichtungen aller zum Tod Verurteilten einzustellen.

UN-Experten haben ihre Besorgnis über den im August erfolgten Anstieg der Hinrichtungen zum Ausdruck gebracht und die Islamische Republik Iran aufgefordert, die Hinrichtung von Menschen, denen die Todesstrafe droht, unverzüglich einzustellen. Mindestens 81 Personen wurden im August hingerichtet, was fast eine Verdoppelung der 45 Hinrichtungen vom Juli bedeutet. Die Zahl der Hinrichtungen im Iran ist in diesem Jahr damit auf über 400 Personen gestiegen, darunter fünfzehn Frauen.

»Wir sind zutiefst besorgt über diesen starken Anstieg der Hinrichtungen. Nach den uns vorliegenden Informationen wurde von den Hinrichtungen im August nur ein Bruchteil offiziell von der Islamischen Republik Iran gemeldet, was die dringende Notwendigkeit von Transparenz unterstreicht«, erklärten die Experten.

Mit 41 Fällen wurde fast die Hälfte der Hinrichtungen wegen Drogendelikten vollstreckt. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), dem der Iran beigetreten ist, beschränkt die Anwendung der Todesstrafe jedoch auf »schwerste Verbrechen«, also vorsätzliche Tötung bzw. Mord. »Hinrichtungen wegen Drogendelikten verstoßen gegen internationale Standards«, so die Experten.

Die Zahl der Hinrichtungen wegen Drogendelikten hat im Iran seit 2021 deutlich zugenommen. Allein im Jahr 2023 wurden mehr als 400 Todesurteile wegen Drogendelikten vollstreckt. Dieser Anstieg erfolgte trotz der Überarbeitung des Gesetzes zur Bekämpfung illegaler Drogen, mit der die Anwendung der Todesstrafe bei Drogendelikten eingeschränkt werden sollte.

»Länder, welche die Todesstrafe beibehalten, müssen sicherstellen, dass die [angeklagten] Personen während des gesamten Strafprozesses nicht gefoltert oder grausam, unmenschlich oder erniedrigend behandelt oder bestraft werden«, so die Experten. »Ihr Recht auf ein faires Verfahren und Gleichheit vor dem Gesetz und den Gerichten muss in allen Strafverfahren respektiert werden.«

Auf der Grundlage der eingegangenen Berichte sind die Experten der Ansicht, dass bei den Verfahren gegen jene Personen, die hingerichtet wurden, die Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren nicht eingehalten wurden.

Schwerwiegende Verstöße

In einem Fall wurde etwa der dem Yarsani-Glauben anhängende kurdische Demonstrant Reza (Gholamreza) Rasaei am 6. August im Gefängnis von Dizel Abad hingerichtet. Rasaei war auf der Grundlage eines Geständnisses, das Berichten zufolge durch Folter erlangt wurde, zum Tod verurteilt worden, weil er einen Angehörigen der Islamischen Revolutionsgarde ermordet haben soll, nachdem er bei einer Feier für einen Yarsani-Führer und -Musiker Schilder mit der Aufschrift »Frau, Leben, Freiheit« hielt. Der Oberste Gerichtshof bestätigte sein Todesurteil, obwohl Mitangeklagte ihre Aussagen über Rasaeis Beteiligung an dem Mord zurückzogen und ein Gerichtsmediziner aussagte, der Rasaeis Beteiligung an dem Mord ebenfalls bestritt.

»Berichte über schwerwiegende Verstöße gegen das Recht auf ein faires und ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren bedeuten, dass die Todesstrafe, wie sie derzeit in der Islamischen Republik Iran praktiziert wird, einer unrechtmäßigen Hinrichtung gleichkommt«, so die UN-Experte.

Aktuell droht zahlreichen Personen die Todesstrafe für eine Reihe von Straftaten, darunter weit gefasste Sicherheitsdelikte wie »bewaffnete Rebellion«, »Verbreitung von Korruption auf Erden«, »Krieg gegen Gott« und Apostasie. Diese Straftaten können nicht als »schwerste Verbrechen« im Sinne des ICCPR eingestuft werden. Solch vage Anschuldigungen werden immer wieder gegen Regimekritiker erhoben, was einen klaren Verstoß gegen internationale Standards darstellt.

»Ungerechtfertigte Hinrichtungen sind unumkehrbar. Die derzeitige Vollstreckung der Todesstrafe in der Islamischen Republik Iran gibt uns Anlass zu großer Sorge, dass unschuldige Personen hingerichtet worden sein könnten«, so die Experten abschließend: »Wir erneuern unseren Appell an die iranischen Behörden, die Hinrichtungen aller zum Tode Verurteilten zu stoppen.«

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch