Wie könnte Israel an seinem 100. Geburtstag aussehen? Eine Zukunftsvision

Totgesagte leben länger

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Das Israel des Jahres 2018 ist auch nicht mehr der kleine schwache Staat, dessen Existenz lange am seidenen ­Faden hing. Die Erdgasfunde vor der Küste haben dem Land eine Unab­hängigkeit in Sachen Energieversorgung beschert, von der andere Indus­trienationen nur träumen können. Das Problem der Wasserknappheit ist durch den Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen weitgehend entschärft worden und außenpolitisch steht Israel dank neuer Allianzen mit Indien oder auch China so gut wie noch nie in seiner Geschichte da. Selbst dem Machtstreben des Iran in der Region weiß man sich zu erwehren, auch wenn die Mullahs mit der Bombe zweifellos eine ernste Bedrohung sind. Deshalb gibt es eigentlich keine Gründe, warum der 100. Geburtstag des Landes nicht stattfinden sollte.

Trotzdem taucht immer wieder die Frage auf: »Wird Israel im Jahr 2048 noch existieren?« Mit ernst gemeinter Sorge um die Zukunft des Landes hat das selten etwas zu tun. »Israel scheint der einzige Staat zu sein, dessen Über­lebensfähigkeit infrage gestellt wird und, was noch gravierender ist, dessen Überlebensberechtigung zur Debatte steht«, bringt es Ben Segenreich, langjähriger ORF-Korrespondent in Tel Aviv, auf den Punkt.

Bemerkenswerterweise liefern manche Israelis den Stoff, aus dem die Endzeitträume einiger Antizionisten sind, gerne selbst. So hatte vor acht Jahren der »2048« betitelte Film des Regisseurs Yaron Kaftori ausgerechnet zu Tisha b’Av in Tel Aviv Premiere, dem Trauertag, an dem der Zerstörung des Tempels in Jerusalem gedacht wird. Darin spielt ein junger Filmwissenschaftler die Hauptrolle, der im Jahr 2048 das Dokumentarfilmprojekt vollenden will, das sein Großvater 2008 anlässlich des 60. Jahrestag der Staatsgründung in Angriff genommen hatte. Israel existiert zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, als Gründe dafür werden der Gegensatz zwischen säkularen und religiösen Juden genannt, aber auch die Korruption und das organisierte Verbrechen. Die Besatzungspolitik taucht nicht ­darin auf. Der Clou: Das Archiv des untergegangen Staates befindet sich ausgerechnet in Berlin. In anderen düsteren Prognosen ist da­gegen immer wieder vom »Staat Tel Aviv« die Rede. Außerhalb dieser liberalen Bastion würden meist die »Neandertaler« den Ton bestimmen, so die Journalistin Michal Yudelman O’Dwyer. Gemeint sind streng religiöse und die ihrer Meinung nach politisch eher demokratiefeindlichen Juden nichteuropäischer Herkunft.

Immer wieder steht dabei die Demographie im Mittelpunkt. Denn zwischen Mittelmeer und Jordan leben derzeit ungefähr gleich viele Araber wie Juden, was für Israel als jüdischer Staat langfristig eine Herausforderung ist. Genau dieses delikate Gleichgewicht machte die israelische TV-Sendung »Eretz Nehederet« kürzlich zum Gegenstand einer ihrer Satiren. Im Jahr 2048 darf ein jüdischer Familienvater nicht mit dem Rest seiner Sippschaft am Flughafen einchecken, weil ansonsten diese Balance durch­einandergebracht wird und ein Jude zu wenig im Lande ist. Er verkleidet sich als Araber, kann die Security-Beamtin so täuschen, löst aber dann einen Alarm aus. Der eigentliche Gag ist aber: Der Ministerpräsident in diesem Szenario heißt immer noch Netanyahu – nur ist es nicht Benjamin, sondern sein skandalträchtiger Sohn Yair. Das wäre in der Tat eine finstere Zukunfts­vision.