Jihad in Riad

Nach dem Anschlag in Saudi Arabien von carlos kunze

Mitte vergangener Woche war es erneut so weit. In Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens, sprengte sich ein Selbstmordattenäter in einem mit Sprengstoff beladenen Chevrolet Blazer in die Luft. Fünf Menschen wurden getötet, fast 150 verletzt. Das Anschlagsziel war ein staatliches Gebäude: das Hauptquartier von Verkehrspolizei und Rettungsdiensten, das früher als Hauptquartier der Sicherheitskräfte Riads fungiert hatte.

Eine Gruppe bekannte sich kurz darauf zu dem Attentat. »Die Haramain-Brigaden auf der arabischen Halbinsel haben erfolgreich den Kommandositz der Interventions- und Anti-Terror-Streitkräfte des Innenministeriums gesprengt.« Die Authentizität des Schreibens ist nicht bestätigt.

Bereits im November und im Mai 2003 fanden in Riad Selbstmordattentate statt, die insgesamt 52 Totesopfer forderten. Aber sie richteten sich gegen Gebäude, in denen Ausländer untergebracht waren, und sie scheinen komplexer geplant und besser ausgeführt worden zu sein als der Anschlag in der vergangenen Woche. Seither sind solche Gebäude ebenso wie Ministerien mit Betonbarrieren, Stacheldraht und rund um die Uhr besetzten MG-Nestern umgeben. Nach Angaben saudischer Behörden wurden mittlerweile 400 bis 500 Militante verhaftet.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag kam es daraufhin zu einem stundenlangen Feuergefecht zwischen Polizei und Islamisten in der Küstenstadt Jedda. Das Ergebnis: fünf Tote. Nach Angaben des saudischen Innenministeriums standen vier der Getöteten auf der Liste der 26 meistgesuchten Islamisten Saudi-Arabiens, auf deren Kopf jeweils nahezu zwei Millionen Dollar ausgesetzt sind. Bereits in der Vorwoche kamen bei bewaffneten Auseinandersetzungen in und um Riad sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben; gefunden wurden fünf mit Sprengstoff präparierte Autos.

Das Exportprodukt des Saudi-Establishments, der wahhabitische Jihad, kehrt zurück. Nun hat er sich nicht mehr nur gegen »Kreuzfahrer und Juden« gerichtet. Nun ist das Saudi-Establishment, das gehofft hatte, mit dem Jihad-Export zugleich eine um die Macht im Königreich rivalisierende Fraktion loszuwerden, direkt ins Visier geraten.

Dies spiegelt sich in Äußerungen des Klerus wieder, der mit dem saudischen Königshaus politische Entscheidungen im Konsens trifft. In einer Predigt in der König-Khalid-Moschee in Riad hieß es an die Adresse der innerhalb des Königreichs agierenden Jihadisten: »Ihr seid die Speere und Pfeile der Kreuzfahrer. Ein Bombenanschlag in Riad wird Jerusalem nicht befreien. Muslime zu töten, wird dem Volk von Falluja nicht helfen.«

Man lernt: Jihad im Irak und in Israel dient der Befreiung, Jihad in Saudi-Arabien hingegen dient den »Kreuzfahrern«.

Anders wird dies bei denen reflektiert, die den Sturz des Königshauses betreiben, um eine noch härtere Form der politischen Herrschaft zu errichten. Dies findet sich beispielsweise in der »Stimme des Jihad«, sozusagen ein al-Qaida-Online-Produkt. Dort erklärt Abd al-Aziz bin Issa bin Abd al-Mohsen, ein weiterer von den saudischen Behörden gesuchter Islamist, im Interview, er habe viele Angebote von Sheikhs erhalten, in den Irak zu gehen. Unglücklicherweise aber hätten diese ihn und seine Mitstreiter von der arabischen Halbinsel entfernen wollen. Ihnen habe er gesagt: »Vergesst es.« Sie müssten auch an den Konflikt mit den Ungläubigen in Saudi-Arabien denken.

Merke: Jihad gegen Ungläubige ist überall gerechtfertigt. Und zu den Ungläubigen zählen auch die religiösen Nebelwerfer aus dem wahhabitischen Klerus und dem Königshaus Saudi-Arabiens, weil sie den »Kreuzfahrern« dienen.

Das irre Spiel kann weitergehen.