Die Abschottungspolitik der EU

»Die Sahara ist ein Friedhof«

Seite 2 – »Europa zahlt«
Interview Von

 

Wie viele Menschen sind davon betroffen?
Seit 2016 wurden fast 300 Personen verhaftet und über 300 Fahrzeuge konfisziert. Die konfiszierten Fahrzeuge werden auf einem Militärstützpunkt ab­gestellt. Dort stehlen Soldaten die Autoteile, am Ende bleiben nur noch Wracks. Einige Fahrer wurden mittlerweile freigelassen, doch ihre Fahrzeuge stehen immer noch dort.

Neigen Kritiker gelegentlich dazu, den europäischen Einfluss überzubetonen? Dass Algerien in den vergangenen Jahren so hart gegen ­Geflüchtete und Migranten vorging, scheint zum Beispiel eher damit ­zusammenzuhängen, dass Ausländer der algerischen Regierung als willkommene Sündenböcke für die schlechte Wirtschaftslage dienen.
Im Fall Nigers ist es vollkommen angebracht, von der »Externalisierung ­europäischer Grenzen« zu sprechen. Auch wenn in der Nationalversammlung jeder Gesetzentwurf diskutiert werden muss, gab es in diesem Fall keine Debatte. Das Gesetz wurde 2015 erlassen, aber nicht vollstreckt, bis 2016 euro­päische Politiker nach Niger kamen. Erst dann fing man an, Schleuser aufzu­halten und die »Ghettos« (Häuser, in denen Migranten untergebracht ­werden, Anm. d. Red.) in Agadez zu schließen.

Was hat Niger davon, den »Türsteher Europas« zu spielen?
Europa zahlt. Mittlerweile hat Niger fast eine Milliarde Euro erhalten. Das Ziel des nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou ist, bis 2020 fast drei ­Milliarden Euro von der EU zu erhalten. Und weil er der Musterschüler Europas ist, dürfte er dieses Geld auch ­bekommen. 2016 durchquerten Niger schätzungsweise mehr als 400 000 Menschen, heute sind es weniger als 50 000 jährlich.

Welche Folgen hat das für die Geflüchteten und Migranten?
Tausende von Migranten, die vor allem aus Westafrika kommen, sitzen in Agadez fest. Einst war die Stadt das Tor zur Wüste, doch nun ist der Weg blockiert. Das treibt die Menschen dazu, gefährlichere Routen zu nehmen. Um Agadez und nigrische Sicherheitskräfte zu meiden, nehmen sie Umwege, die viele Reisende das Leben kosten.