Die mutmaßliche Verstrickung des Iran in Angriffe auf Synagogen in Deutschland

Terrornetzwerk aus Teheran?

Nach Anschlägen auf Synagogen in Nordrhein-Westfalen sitzt ein Deutsch-Iraner in Untersuchungshaft. Medien­berichten zufolge verdächtigen die Ermittlungsbehörden die Iranischen Revolutionsgarden als Drahtzieher. Bis heute steht diese Organisation nicht auf der EU-Liste terroristischer Organisationen.
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Eine antisemitische Anschlagsserie mit einem mutmaßlichen Drahtzieher von den Hells Angels – schon das wäre eine erschreckende Nachricht. Doch was die deutschen Ermittlungsbehörden in den vergangenen Tagen mitteilten, reicht noch weiter: Es soll Hinweise geben, dass die Islamische Republik Iran an Plänen beteiligt ist, jüdische Menschen und Einrichtungen in Deutschland ­anzugreifen.

Am Abend des 17. November wurden in Essen mehrere Schüsse auf die Alte Synagoge abgegeben, in derselben Nacht ein Molotow-Cocktail auf eine Schule in unmittelbarer Nachbarschaft der Synagoge in Bochum geworfen. Am Tag darauf nahm die Polizei einen 35jähriger Deutsch-Iraner in Dortmund fest. Die Zentralstelle Terrorismusverfolgung der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf verdächtigt ihn, für den Bochumer Brandanschlag verantwortlich zu sein. Außerdem soll er versucht haben, einen anderen Mann zu einem Brandanschlag auf die Synagoge in Dortmund zu überreden. Unklar ist bisher, ob es auch einen Zusammenhang mit den Schüssen in Essen gibt.

Ermittelt wird Medienberichten zufolge wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit. Denn der Festgenommene soll Kontakt zum im Iran lebenden Gründer des Mönchengladbacher Ablegers der Hells Angels, Ramin Y., gehabt haben, wie unter anderem die ARD-Sendung »Kontraste« unter Berufung auf anonyme Ermittler berichtete. Y. war vor einem Jahr aus Deutschland geflohen, weil er wegen ­eines Mordes gesucht wurde. »Kontraste« zufolge gehen die deutschen Sicherheitsbehörden davon aus, dass er heute »für die iranischen Revolutionsgarden ein Operativkommando für Anschläge in Deutschland leitet«.

Der Spiegel berichtete, ein ausländischer Geheimdienst habe die deutschen Behörden vor dem iranischen Kommando gewarnt – auch vor weiteren Angriffen. In Nordrhein-Westfalen wurde daraufhin der Schutz für jüdische Einrichtungen verstärkt. Bereits vor Monaten seien die deutschen Behörden informiert worden, dass eine bedeutende jüdische Person – mutmaßlich Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland – ausgespäht worden sei. Der Spiegel wies außerdem darauf hin, dass bereits 2017 ein iranischer Agent in Berlin verurteilt wurde, weil er im Auftrag der iranischen Quds-Brigaden, einer Auslandseinheit der Revolutionsgarden, den damaligen Präsidenten der Deutsch-Israelischen ­Gesellschaft, Reinhold Robbe (SPD), ausgespäht hatte (Jungle World 4/2018). Seit Jahren werde vermutet, so der Spiegel, dass der Iran sogenannte Ziellisten mit jüdischen Einrichtungen und Personen in Deutschland führe.

Das Problem ist weder neu noch auf Deutschland begrenzt: Seit seiner Machtergreifung verübte das iranische Regime immer wieder Anschläge auf Personen im Ausland. Allein zwischen 2015 und 2017 sollen mindestens drei Dissidenten in Europa ermordet worden sein, schrieb kürzlich die Washington Post. Wie die Zeitung berichtete, hätten es in den vergangenen Jahren vermehrt Planungen für Anschläge oder Entführungen gegeben. Sie sollen sich sich gegen im Ausland lebende Oppositionelle, kritische Medien und jüdische Zivilisten sowie Vertreter Israels und der USA richten.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass der iranische Staat hinter den Anschlägen in Nordrhein-Westfalen steckt, wäre es überfällig, dass die Bundesregierung entschlossen reagiert. Selbst hochrangige Politiker wie der Co-Parteivorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, fordern mittlerweile, dass die EU die iranischen Revolutionsgarden auf ihre Liste der Terrororganisationen setzt, wie es die USA bereits 2019 getan haben. Die Bundesregierung, vertreten durch Katja Keul (Grüne), eine Staatssekretärin des Auswärtigen Amts, argumentierte jedoch noch am 30. November bei einer Fragestunde im Bundestag, die rechtlichen Bedingungen dafür seien nicht erfüllt. »Ich habe die Bundesregierung gefragt, ob sie sich dafür einsetzt, dass die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste kommen. Leider wurde diese einfache Frage nicht klar und deutlich mit Ja beantwortet. Die Bundesregierung verspielt damit ihre Glaubwürdigkeit«, kommentierte der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen auf Twitter.

Es ist absurd genug, dass die Bundesregierung mit einem Regime, das der wichtigste Unterstützer von antisemitischen Terrorgruppen weltweit ist und damit droht, Israel zu vernichten, diplomatische Beziehungen unterhält – in noch höherem Maß absurd wären diese Beziehungen dann, wenn sich der Verdacht erhärten sollte, dass iranische Agenten antisemitische Gewalttaten in Deutschland ­geplant oder befördert haben.

Auch die iranische Opposition ist bedroht und muss unterstützt werden – im Iran und weltweit. In Berlin kam es in den vergangenen Wochen bereits zu zwei Angriffen auf Mahnwachen iranischer Oppositioneller. Diese müssen nicht nur geschützt werden, man sollte auch auf sie hören: Viel zu lange arbeitete beispielsweise das Land Hamburg mit dem Islamischen Zentrum Hamburg zusammen, einer der wichtigsten vom Iran kontrollierten Institutionen in Deutschland. Doch es steht zu befürchten, dass auch nach den Anschlägen auf die Synagogen der vergangenen Tage außer etwas geheuchelter Solidarität mit den Juden in Deutschland wenig passieren wird.