Ein dubioser Verein beansprucht, für russigsprachige Menschen einzutreten

Hilfe für Russland

Nachdem zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine antislawische Anfeindungen in Deutschland Schlagzeilen gemacht hatten, gründete sich der Verein Vadar e. V. Ein genauerer Blick auf die Mit­-glieder des Vereins lässt jedoch vermuten, dass er weniger dem Kampf gegen Rassismus als vielmehr der russischen Propaganda dient.

In den ersten Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs erfasste das BKA pro Woche rund 200 Straftaten »sowohl gegen russischstämmige als auch gegen ukrainischstämmige Mitglieder unserer Gesellschaft«, so der BKA-Präsident Holger Münch. Die Zahlen ließen sich nicht mit älteren Werten vergleichen, denn antislawischer Rassismus war zuvor nicht als eigenständiges Phänomen erfasst worden. Zudem sind in manchen Fällen die Hintergründe unklar, doch bestätigen zahlreiche Erfahrungsberichte, dass es eine erhebliche Zunahme von Angriffen auf Menschen gab, die als russisch eingestuft wurden.

Der am 22. Juni gegründete Verein Vadar will sich nun derjenigen annehmen, die infolge des »Ukraine-Russlandkonfliktes« Opfer von Diskriminierung oder Ausgrenzung geworden sind, und Russlanddeutschen sowie russischsprachigen Menschen kostenlose anwaltliche Hilfe gewähren. Dass der Verein von einem »Konflikt« statt von einem Angriffskrieg spricht, kann allerdings als Ausdruck der politischen Tendenz des Vereins gelten.

Der deutschen Presse steht Eugen Schmidt, stellvertretender Vorsitzen­­der des Vereins, selten zur Verfü­gung. In den russischen Medien hingegen ist er ein beliebter Gast.

Bemerkenswert ist, wer den Verein betreibt. Die Gründungsmitglieder von Vadar sind alle auch Mitglieder der AfD: Ulrich Oehme, Eugen Schmidt, Michael Adam, Harald Weyel, Gunnar Lindemann, Olga Petersen. Unter der Vereinsadresse in der Chemnitzer Hauptstraße ist Oehme als Vereinsvorsitzender eingetragen. Aber auch das Institut für Gesellschaftsforschung gGmbH (IfG) hat hier seinen Sitz. Geschäftsführer des IfG ist laut Registerunterlagen ebenfalls Oehme. Über eine Homepage, E-Mail-Adresse oder Telefonnummer verfügt das Institut nicht, aber über eine Mission: die Förderung der Forschung zu Kultur, Geschichte, Gesellschaft und der Parteienlandschaft in Europa und der Welt. Wie die »Tagesschau« berichtete, ist laut Handelsregister außerdem Oleg Slobodchikov als Mitgesellschafter des Instituts eingetragen. Slobodchikov ist Rektor einer Moskauer Universität, die vom kürzlich verstorbenen Ultra­nationalisten Schirinowski gegründet wurde. Zudem soll Oehme eine Ehrenprofessur der Moskauer Universität er­halten haben.

Während seiner Amtsperiode als Bundestagsabgeordneter (2017–2021) hat Oehme den extrem rechten Arthur Österle beschäftigt. Das bestätigte der AfD-Politiker auf Anfrage der Zeit: »Herr Österle ist für meinen persönlichen Schutz bei öffentlichen Auftritten im Wahlkreis verantwortlich.« Im August 2018 wurde ­Österle als Chefordner des rechtsextremen Bürgerbündnisses Pro Chemnitz bekannt. Oehme hat also ­offenbar keine Berührungsängste bei extremen Rechten.

Eine weitere interessante Person ist der Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt, der stellvertretende Vorsitzende des Vereins. Schmidt, der seit 2016 Mitglied der AfD ist, ist zudem Landesbeauftragter für Russlanddeutsche der AfD Nordrhein-Westfalen und der AfD-Bundestagsfraktion, womit er für russische Medien zum beliebten Gesprächspartner wurde. Eigenen Angaben zufolge hat Schmidt die deutsche und die russische Staatsbürgerschaft. Dies bestätigte der Politiker auf die explizite Nachfrage des russischsprachigen Senders Ostwest. In Deutschland spricht Schmidt selten mit der Presse, für russische und russischsprachige Medien hingegen steht er zur Verfügung und lässt sich vom staatlichen Fernsehsender Rossija 1 und dem Propagandasender des russischen Verteidigungsministeriums, Swesda, ebenso interviewen wie von der 2014 gegründeten pri­vaten Informationsagentur Newsfront, die ihren Sitz auf der von Russland ­annektierten Krim hat.

Dabei verbreitet er Propaganda und Verschwörungsmythen, die er in Deutschland in dieser Deutlichkeit nicht formuliert: Deutschland sei besetzt; in Deutschland gebe es keine Demokratie, deutsche Medien würden von der Regierung kontrolliert, alternative oder abweichende Meinungen würden unterdrückt und überhaupt unterdrücke eine regierende Elite alle Andersdenkenden; die Vergiftung des Oppositionellen Aleksej Nawalnyj sei inszeniert worden, um der russischen Regierung zu schaden; eine faschistische Lobby aus Schwulen, Lesben, Antifas und Globalisten übe immensen Einfluss auf die deutsche Regierung aus und würde gleichzeitig von dieser finanziert; die Grünen mit ihren Anfängen in der Achtundsechzigerbewegung zählten zu den radikalsten Vertretern der Homo­propaganda, die darauf abziele, Kirche und Familie zu zerstören und so einen geschichts-, religions-, werte- und familienlosen Menschen zu schaffen, der durch die Elite problemlos manipuliert und gelenkt werden kann. Dass Anfang Dezember 25 Mitglieder einer extrem rechten Terrorgruppe verhaftet wurden, die mutmaßlich einen Staatsstreich planten, sieht Schmidt lediglich als Versuch, von den eigentlichen Problemen in Deutschland abzulenken.

Bereits drei Tage nach seiner Gründung übernahm der Verein Vadar den ersten Fall, wie T-Online berichtete. Alina Lipp, eine Deutschrussin, die in Deutschland aufgewachsen und nach Russland migriert ist, schreibt auf ihrem Telegram-Kanal aus Russland und der Ostukraine. Im Juni nahm die Staatsanwaltschaft Göttingen Ermittlungen gegen sie auf, weil sie auf ihrem Telegram-Kanal »fortlaufend ihre Solidarisierung mit dem Angriffskrieg Russlands« ausgedrückt habe. Darin war beispielsweise am Tag des russischen Einmarschs in die Ukraine zu lesen: »Die Denazifikation hat begonnen«. Ihren 180 000 Followern teilte sie mit, dass sie nun von Vadar kostenlos vertreten werde. Der Verein hatte das auf seinem eigenen Telegram-Kanal bestätigt. Beide Posts sind inzwischen nicht mehr online.

Über den zweiten – weniger spektakulären – Fall postete Vadar am 11. Juli, dass der Verein Strafanzeige gegen den Berliner CDU-Abgeordneten Stefan Evers erstattet habe »wegen seiner unsäglichen Äußerungen« auf Twitter. Eugen Schmidt kommentierte den Fall: »Statt zur Versöhnung zwischen den Konfliktparteien beizutragen, pöbelt CDU-Evers nur herum. Dieser Herr sollte das Wort Freiheit nicht in den Mund nehmen!« Ein Strafverfahren gegen Evers wurde bisher nicht eröffnet. Derzeit sammelt und veröffentlicht der Verein auf seiner Homepage vor allem Kurzberichte über Vorfälle, wobei Quellenbelege fehlen. Es soll der Eindruck erweckt werden, dass die Vadar-Mitglieder die Einzigen sind, die sich für russischsprachige Menschen einsetzen. Ein Blick auf diese Personen und Lipp, ­ihren prominentesten Schützling, lässt indes politisches Kalkül vermuten.