Laura Mulvey und der Angriff auf das maskuline Blickregime
Im März 1973 hielt die britische Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey im French Department der University of Wisconsin einen Vortrag, der zwei Jahre später unter dem Titel »Visuelle Lust und narratives Kino« in der Zeitschrift Screen erschienen ist und seither eine ungeheure Wirkung in der feministischen Filmtheorie entfaltet hat. Obwohl Mulvey die Formulierung male gaze (männlicher Blick) darin nur ein einziges Mal verwendete, wurde der Begriff zur Chiffre für das Verhältnis von Kino und Patriarchat schlechthin.
Mulveys Essay zeigt mit seiner polemischen, hochkomplexen Sprache deutlich das Kolorit seines Entstehungskontexts in den frühen siebziger Jahren. Die zweite feministische Welle ist auf ihrem Höhepunkt, das dominierende Hollywood-Studiosystem scheint an sein Ende zu kommen und in linken Lesekreisen wird über die neuen französischen Theorien diskutiert.
Diese drei Entwicklungen beeinflussen die junge Londoner Filmliebhaberin. Mulvey und ihre Freund:innen lesen die Cahiers du Cinema und sehen die Filme von Chantal Akerman, Joyce Wieland und Yvonne Rainer; ein alternatives feministisches Kino, das mit den kulturindustriell formierten Sehgewohnheiten brechen möchte. Gemeinsam mit Peter Wollen beginnt Mulvey, selbst experimentelle Filme zu produzieren. Insbesondere die kuratorische Mitarbeit am »Women’s Event« des Edinburgh Film Festival 1972 wird sie später als ihren Wendepunkt hin zu einer feministischen Filmexegese bezeichnen.
Trotz der polemischen Zuspitzung, sie wolle die Psychoanalyse als »politische Waffe« einsetzen, bewahrt Mulveys luzide Argumentation eine dialektische Haltung, die das psychoanalytische Verfahren als Analyse und zugleich als Produkt der bürgerlichen Gesellschaft anerkennt.
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