Der Iran und Russland arbeiten ­militärisch noch enger zusammen

Antiamerikanische Allianz

Der Iran hat wieder bessere Beziehungen mit ehemals feindlichen arabischen Staaten wie Saudi-Arabien und Ägypten und vertieft die militärische Zusammenarbeit mit Russland. Die USA befürchten, dass der Iran und Russland planen, die letzten verbliebenen US-Soldaten aus Syrien herauszudrängen.

Die Proteste in der Islamischen Repu­blik Iran halten seit Monaten an, doch in der Außenpolitik erzielt das Mullah-Regime manchen Erfolg. Besonders sticht da die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Saudi-Arabien heraus, vereinbart bei einem Treffen der beiden Länder in Peking Anfang März. Dass diese Wiederannäherung ausgerechnet unter Vermittlung Chinas, des Erzrivalen der USA, stattfand, deutet darauf hin, dass sich die Golfstaaten langsam von den USA weg orientieren, obwohl die saudische Regierung bis auf weiteres die USA als Waffenlieferanten braucht.

Auch Ägypten scheint bereit, seine Beziehungen zum Iran wieder zu verbessern. Seit einigen Monaten finden zwischen den beiden Ländern Verhandlungen statt. Die Arabische Liga hat den Verbündeten des Iran, Bashar al-Assad, als offiziellen Vertreter Syriens wiederaufgenommen. Der Diktator nahm vergangenen Monat nach vielen Jahren Absenz wieder am Gipfeltreffen der Liga in Jeddah in Saudi-Arabien teil. Es scheint, als ob Monarchen und Diktatoren in der Region sich derzeit so gut wie seit langem nicht mehr verstehen.

Diese Entwicklung hat viel mit dem wachsenden Desinteresse der USA an der Region zu tun. Ihre Verbündeten trauen dem Schutz der USA nicht mehr, und die Sorge hat ihre Gründe. Im ­Oktober 2019 marschierte die türkische Armee im nordsyrischen kurdischen Gebiet ein, nachdem Recep Tayyip Er­do­ğan unmittelbar davor mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump ­telefoniert hatte, der ihm dazu offenbar die Erlaubnis gegeben hatte, obwohl die kurdische Miliz ein verlässlicher Verbündeter der USA war.

Kurz zuvor hatten angeblich Houthi-Rebellen die Ölraffinerie Abqaiq und das Ölfeld Khurais in Saudi-Arabien mit Drohnen und Marschflugkörpern angegriffen. Dies war den Houthi-Rebellen ohne iranische Hilfe sicherlich nicht möglich. Es wurde wegen der großen Entfernung zum Jemen sogar spekuliert, dass der Angriff direkt von Iran aus erfolgt sei. Doch anders als die saudische Regierung erwartet hatte, holten die USA nicht zu einem Vergeltungsschlag gegen den Iran aus. Als drittes alarmierendes Ereignis kam der von Trump ausgehandelte und seinem Amtsnachfolger Joe Biden vollzogene Abzug aus Afghanistan hinzu.

Das Interesse der USA an der Region schwindet unter anderem deswegen, weil sie aufgrund der eigenen, durch die Fracking-Technologie stark erhöhten Ölproduktion nicht mehr auf Erdöl aus Saudi-Arabien angewiesen sind. Stattdessen ist der größte Abnehmer von saudischem Öl seit einigen Jahren China.

Monarchen und Diktatoren in der Region verstehen sich derzeit so gut wie seit langem nicht mehr.

Der sich verschärfende Konflikt mit China und neuerdings der Krieg in der Ukraine binden außerdem die Aufmerksamkeit und die Ressourcen der USA. Während um die Jahrtausendwende die republikanischen Neokonservativen Auslandseinsätze im Nahen Osten forcierten, sind es nun gerade republikanische Politiker und insbesondere Trump, die gegen solche Einsätze eingestellt sind. Allerdings wollte auch Trump die Truppenpräsenz in Syrien letztlich doch nicht ganz aufgeben. Bis heute sind 900 US-Soldaten und einige Hundert Personen ziviles und militärisches Hilfspersonal im Nordosten Syriens stationiert. Sie kooperieren mit den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und sollen den »Islamischen Staat« (IS) niederhalten. Außerdem stehen damit US-Truppen in einem Land, dessen Regime eng mit dem Iran zusammenarbeitet. Wegen der dauerhaften Präsenz iranischer Truppen in Syrien führt auch Israel immer wieder Luftangriffe auf deren Stellungen und Nachschubwege durch.

Neben dem Diktator Assad und dem Iran stört sich auch Russland an der US-Präsenz in Syrien. Für Russland wäre ein Abzug der USA aus Syrien ein strategischer Erfolg. Früher sprachen sich Russen und Amerikaner bei Patrouillenflügen in dem Bürgerkriegsland ab. Mittlerweile beklagen die USA »gefährliche« und »unprofessionelle« Manöver russischer Kampfflugzeuge über Syrien, die beispielsweise Stellungen der USA überflögen und US-Flieger im Luftraum bedrängten und in Scheingefechte zu verwickeln versuchten. Die USA haben vergangene Woche deshalb zusätzliche F-22-Kampfflugzeuge in die Region verlegt.

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine haben Russland und der Iran ihre militärische Zusammenarbeit vertieft. Anfang Juni veröffentlichte die US-Regierung Satellitenaufnahmen, die eine im Bau befindliche Fabrik in der russischen autonomen Republik Tatarstan zeigen sollen. Dort sollen der US-Regierung zufolge mit Unterstützung des Iran, der bereits Hunderte sogenannte Kamikaze-Drohnen an Russland geliefert hat, Kampfdrohnen gebaut werden. Die USA warnen außerdem, dass Russland im Gegenzug plane, mehr Waffen an den Iran zu verkaufen, unter anderem hochentwickelte Kampfjets des Typs Su-35, Kampfhubschrauber und Luftabwehrsysteme.

Indessen hat es einige Versuche gegeben, US-Soldaten und deren Helfer in Syrien zu töten oder zu verletzen. Im März wurden bei einem Angriff mit Drohnen iranischer Bauart sechs Personen verletzt, darunter fünf US-Soldaten, und ein ziviler Angestellter getötet. Die US-Armee ordnete daraufhin Luftangriffe gegen eine mit den iranischen Revolutionsgarden verbundene Miliz in Syrien an. Es soll 14 Tote gegeben haben.

Am 1. Juni berichtete die Washington Post, dass in den vom Anfang April verhafteten US-Nationalgardisten Jack Teixeira geleakten US-Geheimdienstunterlagen geschildert werde, wie vor ­allem der Iran Angriffe auf US-Truppen in Syrien plane. Demnach bereite der Iran Kampfeinheiten darauf vor, US-Patrouillenfahrzeuge zu zerstören, indem sie Sprengsätze mit projektilbildender Ladung am Wegrand platzieren, die die Wände gepanzerter Fahrzeuge durchschlagen können. Kurdische Milizionäre hätten Ende Februar bereits drei solcher Bomben sichergestellt. Den in der Washington Post veröffentlichten Unterlagen zufolge sollen hochrangige russische, iranische und syrische Offiziere und Geheimdienstler im November vergangenen Jahres ein »Koordinationszentrum« für die Organisation einer Kampagne gegen die US-Armee eingerichtet haben. Es gebe demnach Pläne, die Bevölkerung in Ostsyrien zu Angriffen auf die US-Truppen zu bewegen. Offenbar setzt der Iran diese Vorgänge als Druckmittel in den Verhandlungen mit den USA über sein Atomprogramm und Sanktionserleichterungen ein.

Auch der Türkei sind die US-Truppen in Syrien ein Dorn im Auge, weil sie trotz aller Nachgiebigkeit der US-Regierung einen Schutz für die kurdische Region in Nordsyrien darstellen. So gibt es auch eine Annäherung zwischen der Türkei und Assad. Bereits im Herbst trafen sich die Verteidigungsminister der Türkei und Syriens in Moskau. Im Mai kamen ihre Außenminister mit denen von Russland und Iran erneut in der russischen Hauptstadt zusammen. Allerdings gibt es da noch ein Hindernis: Assad will nicht nur den Abzug der US-amerikanischen, sondern auch der türkischen Truppen aus Syrien. Dennoch wäre ein solches Treffen noch vor kurzem undenkbar gewesen.