Über »Aşk« von Altın Gün

Anatolischer Psych-Rock

Pastiche und Neuinterpretationen sind schwer in Mode. Eines der besten Beispiele dafür, dass die postmoderne Vorliebe für Zitat und Retrochic durchaus originelle Musik hervorbringen kann, ist die Band Altın Gün. Das in Amsterdam ansässige Sextett bleibt auf seinem neuen Album »Aşk« seinem Erfolgsrezept treu und vertont auf zehn Tracks traditionelle türkische Volksmelodien neu.
Musikrezension Von

Die Sänger:innen Merve Daşdemir und Erdinç Ecevit Yıldız geben sich abwechselnd das Mikrophon in die Hand und singen Lieder, von denen viele an »Volksdichter« wie den Musiker Neşet Ertaş gemahnen. Neben gelegentlichen warmen Synthiebädern und -arpeggios, die den discolastigen Sound des Vorgängers »Yol« ausmachten, ist immer wieder Ecevits virtuoses Spiel mit der tra­ditionellen Langhalslaute Saz zu hören.

So subversiv wie manche ihrer musikalischen Vorbilder sind Altın Gün nicht.

Auch mittels der Verwendung von Vintage-Equipment knüpft die Band musikalisch an den anatolischen Folk-Rock an, der bereits ihr Debüt »On« (2018) und den Nachfolger »Gece« (2019) prägte. Dieser seit den späten sechziger Jahren als Anadolu Rock populär gewordene Sound hat westlichen Psych-Rock mit türkischem Folk verschmolzen. Die liberale Verfassung von 1961 gewährte der Türkei bürgerliche Freiheiten, während die Popmusik jener Zeit von Bands wie Pink Floyd ins Land fand.

Was als Tanz- und Unterhaltungsmusik begann, wurde im Zuge der Achtundsechziger-Bewegung politisch. Nach dem Militärputsch von 1980 wurden viele Anadolu-Musiker:innen verhaftet oder, wie Cem Karaca als einer der exponiertesten gesellschaftskritischen Vertreter:innen des Genres, ins Exil vertrieben.

So subversiv wie manche ihrer musikalischen Vorbilder sind Altın Gün freilich nicht – müssen sie aber auch nicht sein. Sie knüpfen an den frühen Anadolu Rock als Unterhaltungsmusik an, und das gelingt ihnen ganz hervorragend.


Albumcover

Altın Gün: Aşk (Glitterbeat Records)