Eine religiöse Gruppe wurde an der türkisch-bulgarischen Grenze festgenommen

Kein Asyl in Bulgarien: Mitglieder der Ahmadiyya-Gruppe weiter in Haft

Mitglieder der muslimischen Minderheit der Ahmadiyya in der Türkei wollten Asyl in Bulgarien beantragen, wurden jedoch von den türkischen Behörden an Grenzübertritt gehindert und inhaftiert.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat einen Antrag der religiösen Gruppe der Ahmadiyya vom 11. Juli abgelehnt; am 21. Juli kam einer Presseerklärung der Gruppe zufolge ein Schreiben eines Richters des EGMR, der sie über die Entscheidung des Gerichts informierte. Die Gruppe hatte der bulgarischen Zeitung The Sofia Globe zufolge »einstweilige Maßnahmen« gegen die Türkei beantragt, nachdem das Land über 100 ihrer Mitglieder festgenommen hatte, die am 24. Mai bei dem Versuch zurückgehalten wurden, die Grenze nach Bulgarien zu überqueren, um dort Asyl zu beantragen. Eine Woche später reichte die religiöse Gruppe ihren Antrag beim EGMR ein.

Einen Tag vor dem geplanten Grenzübertritt hatte die Gruppe in einem von der NGO Border Violence Monitoring veröffentlichten und von bulgarischen und internationalen humanitären Organisationen unterzeichneten Brief die bulgarische Grenzpolizei sowie die EU-Grenzschutzagentur Frontex über ihr Vorhaben informiert. Darin schrieb die Gruppe, sie habe sich bereits an das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Bulgarien, die bulgarische staatliche Flüchtlingsagentur SAR und das bulgarische Außenministerium gewandt.

Am türkisch-bulgarischen Grenzübergang Kapıkule wurde die Gruppe der Website des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) zufolge von türkischen Ordnungskräften mit Schlagstöcken und Warnschüssen daran gehindert, die Grenze zu passieren und in Bulgarien Asyl zu beantragen. Die türkische Polizei übte Berichten zufolge übermäßige Gewalt aus, wodurch mindestens 30 Mitglieder der Gruppe, darunter neun Frauen, verletzt wurden. Die Gruppe wurde dann in das Abschiebezentrum in Edirne gebracht, und das türkische Innenministerium erließ für 101 Personen einen Abschiebungsbefehl. Die Inhaftierten kommen aus Thailand, dem Iran, dem Irak, Aserbaidschan, Algerien, Jordanien, die zuvor in die Türkei geflohen waren, aber auch aus der Türkei selbst. Dem OHCHR zufolge berichteten viele von ihnen, dass sie gefoltert wurden oder grausamer, erniedrigender Behandlung durch Polizeibeamte ausgesetzt waren, darunter Schläge, sexuelle Belästigung und absichtlicher Schlafentzug.

UN-Menschenrechtsexpert:innen hatten die Türkei Anfang Juli aufgefordert, die Mitglieder der Gruppe nicht abzuschieben, da ihnen in den Herkunftsländern Folter und Tod drohe.

Auch die Verfolgung der inhaftierten Glaubensangehörigen in ihren ursprünglichen Herkunftsländern aufgrund ihrer Religion wurde Sofia Globe zufolge im 72 seitigen Antragsdokument geschildert. Die Ahmadiyya-Gruppe hatte den EGMR ersucht, die Türkei anzuweisen, alle Antragsteller unverzüglich freizulassen, insbesondere die minderjährigen Mitglieder; die Abschiebung aller Antragsteller auszusetzen; unverzüglich einen unabhängigen medizinischen Sachverständigen und unabhängige Menschenrechtsorganisationen zu entsenden, um die Bedingungen in der Haftanstalt zu überwachen. UN-Menschenrechtsexpert:innen hatten die Türkei Anfang Juli aufgefordert, die Mitglieder der Gruppe nicht abzuschieben, da ihnen in den Herkunftsländern Folter und Tod drohe.

In auf der Ahmadiyya-Website veröffentlichten Audiodateien berichtet Redouane Foufa, ein Flüchtling aus Algerien, er sei in Edirne geschlagen und ihm sei eine unbekannte Substanz injiziert worden. Einige der Gruppenmitglieder sind demnach gezwungen worden, Dokumente zu unterschreiben, die sie nicht verstanden hätten. Ein weiterer junger Flüchtling, Poorya Lotfiinanllou aus dem Iran, gibt an, er sei von einem türkischen Polizisten zu Oralsex aufgefordert worden; der Beamte habe ihm mit dem Tode gedroht, sollte er dies einem Arzt erzählen.

Mit der Gruppe wurden auch zwei britische Journalist:innen festgenommen. Der Scottish Sun zufolge berichtete einer der beiden, Sermad al-Khafaji, dass er eine Presseweste und einen Presseausweis bei sich gehabt habe, als er von den türkischen Behörden festgehalten wurde. Außerdem habe die türkische Polizei versucht, ihn vom Filmen abzuhalten und ihn von der Gruppe zu isolieren. Alexandra Foreman, die an Ort und Stelle war, um einen Dokumentarfilm zu drehen, beschrieb im Watford Observer die Gewalt an der Grenze und die schlechten Haftbedingungen in der Türkei. Am 4. Juni wurden die beiden Journalist:innen mit dem Flugzeug nach Großbritannien zurückgeschickt.

Einem Bericht von Iliana Sawowa, Direktorin des Rechtsprogramms für Flüchtlinge und Migranten des Bulgarian Helsinki Committee (BHC), vom April zufolge, waren allein im Jahr 2022 mehr als 87.000 Menschen von Pushbacks an der türkisch-bulgarischen Grenze durch die Landesbehörden betroffen.

Seit der Gründung ihrer Religionsgemeinschaft in Britisch-Indien 1889 werden Ahmadiyya nach eigenen Angaben in zahlreichen Ländern verfolgt. Im Juni 2022 forderte Amnesty International die Freilassung von 21 Mitgliedern in Algerien, denen Straftaten wie »Teilnahme an einer nicht autorisierten Gruppe« und »Verunglimpfung des Islam« vorgeworfen wurden. Im Iran wurde im Dezember 2022 eine Gruppe von 15 Anhängern, darunter Minderjährige und Frauen, festgenommen und in das berüchtigte Evin-Gefängnis in Teheran überstellt.