Wie »Sound of Freedom« zum Kultfilm der Republikaner wurde

Der Film, den Donald Trump seinen Freunden zeigt

In den USA war der als Anti-Hollywood-Produktion vermarktete Thriller »Sound of Freedom« ein Riesenerfolg. Jetzt kommt der Film über den Kampf gegen einen Kinderhändlerring in die deutschen Kinos.

Spricht man über das Kinoereignis des Jahres 2023, kommt dem geneigten Cinephilen natürlich sogleich das höchst disparate Spielfilmduo »Barbie« und »Oppenheimer« in den Sinn. Die beiden fast gleichzeitig gestarteten Publikumserfolge sorgten bei den von Pandemie und Wirtschaftskrise gebeutelten Kinobetreibern weltweit für Feierlaune. Auch das deutsche Feuilleton zelebrierte das Phänomen »Barbenheimer«, ließen die beiden sich zu Blockbustern aufschwingenden Autorenfilme doch die einschlägigen Superhelden- und Retortenproduktionen, die ansonsten die Kassen klingeln lassen, einmal so richtig alt aussehen.

Der Blick auf den rekordverdächtigen Kinosommer wäre allerdings unvollständig, würde man nicht einen weiteren weit weniger bekannten Filmtitel hinzuziehen: »Sound of Freedom« ist gemessen an seinen Produktionskosten von 14 Millionen US-Dollar und einem Einspielergebnis von 184 Millionen schon jetzt einer der erfolgreichsten Filme des Jahres. Die meisten deutschen Kinofans dürften von dem Thrillerdrama aber noch nicht viel mitbekommen haben, denn der Hype um den nun in deutschen Kinos anlaufenden Film des mexikanischen Regisseurs Alejandro Monteverde entstammt der konservativen und rechten Infosphäre in den USA.

Wackere US-amerikanische Kulturkrieger wie der texanische Senator Ted Cruz (»wow, wow, wow«) und sein Kollege aus South Carolina, Tim Scott (»amazing, gut-wrenching, emotional«), lobten die Produktion der bibelfesten Angel Studios aus Utah. Der vormalige Präsident Donald Trump organisierte eigens in seinem Privatclub in New Jersey eine Vorführung. Ultrakonservative tippten sich auf Elon Musks Plattform Twitter, die bald nach dem Filmstart in X umbenannt wurde, die Finger wund, um die Mund-zu-Mund-Propaganda weiter zu befördern. Derweil wurde in linksliberalen Medien Kritik an »Sound of Freedom« laut. Der Film befördere Verschwörungserzählungen und stehe der Qanon-Bewegung nahe, war in US-amerikanischen Publikationen zu lesen.

Der Hauptdarsteller Jim Caviezel war bei einer Qanon-Convention aufgetreten; im Podcast von Stephen Bannon raunte er von einem »großen Sturm«, der aufziehen werde.

Der Hauptdarsteller Jim Caviezel – bekannt durch seine Rolle als Jesus in Mel Gibsons »The Passion of Christ« (2004) – verwahrte sich gegen die Vorwürfe. Zuvor war er jedoch bei einer Qanon-Convention aufgetreten; im Podcast von Stephen Bannon raunte er von einem »großen Sturm«, der aufziehen werde, bei Qanon-Anhängern eine beliebte Metapher, die die großen zukünftigen Umwälzungen umschreiben soll. Solche Bezüge dürften dazu beigetragen haben, dass »Sound of Freedom« in der rechten Bubble umgehend zu einem Kultfilm avancierte. Insbesondere evangelikale Christen riefen in den sozialen Medien dazu auf, Kinokarten zu erwerben und sie an Freunde und Bekannte zu verschenken.

Die Handlung des Films beruht lose auf der Biographie des ehemaligen Agenten der Homeland Security und Aktivisten Tim Ballard, den Gründer und ehemaligen Leiter der Organisation Operation Underground Railroad, die sich gegen Kindersexhandel engagiert. In dieser Funktion wurde er vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump eingeladen, einem Beraterstab zum Thema Kinderhandel beizutreten. Ballard verließ Operation Underground Railroad, nachdem Mitarbeiterinnen ihm sexuellen Missbrauch vorgeworfen hatten.

Im Film begibt sich der von Caviezel gespielte Protagonist Ballard auf die Suche nach einem von Menschenhändlern und Kinderpornoproduzenten entführten Geschwisterpaar. Er bereitet die Befreiung einer Reihe entführter Kinder vor, die allesamt von demselben Menschenhändlerring verschleppt wurden. Darunter ist auch das Geschwisterpaar Miguel und Rocío, die bei einem fingierten Kinder-Casting entführt wurden. Für den Vater hat damit ein Martyrium begonnen. Bald schon kursierten erste Bilder seiner Kinder in sexualisierten Posen im Netz.

Dem Ermittler Ballard gelingt es, den Jungen Miguel während einer Kontrolle an der US-mexikanischen Grenze zu befreien. Als er vom Schicksal der Schwester Rocío erfährt, setzt er sich, von Caviezel mit einer Mischung aus zerquälter Mine und fester Entschlossenheit gespielt, über Bedenken seiner Vorgesetzten hinweg und macht sich auf den Weg nach Kolumbien, wo er das Mädchen vermutet.

Der mexikanische Regisseur Alejandro Monteverde inszeniert sein Thrillerdrama so direkt wie schnörkellos, aber nicht ohne einige ziemlich umständliche erzählerische Längen. Sein gerechter Held Ballard, eine blonde Erlöserfigur mit festem christlichem Wertefundament, antwortet an einer Stelle auf die Frage, warum er die gefährliche Mission auf sich nehme: »Weil Gottes Kinder nicht zum Verkauf stehen.« Zum seltsam spannungslos inszenierten Showdown kommt es schließlich auf einer abgeschiedenen Tropeninsel. Der fröhliche Gesang der befreiten Kinder ist jener »Sound of Freedom«, den Monteverdes pathosreiche Inszenierung im Titel führt.

Der Film rückt Kinderhandel als eine moderne Form der Sklaverei ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Es sei eine 150-Milliarden-Dollar-Industrie, die Millionen von minderjährigen Sklaven ausbeute, heißt es im Abspann. In das auf »Tatsachen beruhende« fiktionalisierte Filmgeschehen sind reale Bilder aus Überwachungskameras von mutmaßlichen Kindesentführungen auf offener Straße eingestreut. Es sei eines der größten unerkannten Verbrechen unserer Zeit.

Die Begeisterung antiwoker Milieus für den Film dürfte weniger mit deren Engagement für die Rechte von Kindern zu tun haben als vielmehr damit, dass er den transatlantischen Sklavenhandel zu einem Verbrechen unter anderen herabstuft.

Die Tatsache, dass sexuelle Gewalt gegen Kinder in den meisten Fällen von nächsten Familienangehörigen ausgeht, vernachlässigt der Film. Täterinnen und Täter finden sich vor allem in den kriminellen Kartellen Mittelamerikas. Über weite Strecken ist die dramaturgisch anspruchslose Produktion zwar weniger krude, als man es nach den harschen Kritiken erwarten könnte. Die Darstellung wahrt eine Offenheit, die allerlei Spekulationen erlaubt. Das angedeutete Großverbrechen wird nicht, wie in Qanon-Kreisen üblich, als Kabale der Eliten inszeniert – man denke an die sogenannte Pizzagate-Verschwörungstheorie, die hinter demokratischen Politstars wie Hillary Clinton einen Kinderpornoring vermutete –, sondern als ein von der Mehrheitsgesellschaft geduldetes oder ignoriertes Geschehen, für dessen filmische Skandalisierung die großen Hollywood-Studios kein Geld herausrücken wollten.

In einer Videogrußbotschaft am Ende des Abspanns sagt der Hauptdarsteller, der Film sei für das 21. Jahrhundert, was »Onkel Toms Hütte« für das 19. Jahrhundert gewesen sei. Caviezel und die Kreativen der Angel Studios stellen das Menschheitsverbrechen der Sklaverei also mit dem im Film gezeigten Kindesmissbrauch auf eine Stufe. Die Begeisterung antiwoker Milieus für den Film dürfte auch weniger mit deren Engagement für die Rechte von Kindern zu tun haben als vielmehr damit, dass er den transatlantischen Sklavenhandel zu einem Verbrechen unter anderen herabstuft.

Caviezel ruft dazu auf, die Botschaft des Films mit Zuschauern auf der ganzen Welt zu teilen. Am Ende erscheint ein QR-Code zum Erwerb von Kinotickets auf der Website der Angel Studios, die mittlerweile einen weltweiten Streaming-Dienst für ihre Erfolgsproduktion anbieten. Ob sich der Film auch international behaupten kann, bleibt abzuwarten. Die sich als Anti-Hollywood gerierenden Angel Studios werden nach dem Erfolg von »Sound of Freedom« – das steht zu befürchten – mit ähnlichen Hervorbringungen um die Gunst des Publikums werben. Den »Theocons« und rechten Hardlinern in der Republikanischen Partei wird das sicherlich gefallen.