Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, im Gespräch über hohe Nebenkostenabrechnungen

»Viele erschrecken«

In den vergangenen Monaten erhielten viele Mieter:innen die Heiz- und Nebenkostenabrechnungen für das Jahr 2022. Oft werden hohe Nachzahlungen eingefordert. Die »Jungle World« sprach mit Ulrike Hamann vom Berliner Mieterverein über die Erfahrungen aus der Mieterberatung – und was man als Mieter:in tun kann.
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Kommen derzeit viele Mieter:innen in Ihre Beratung?
Es gibt derzeit eine enorm hohe Zahl von Anfragen nach Beratung, insbesondere wegen hoher Neben- und Heizkostenforderungen.

Kürzlich gab es Berichte von einer Siedlung der landes­eigenen Berliner Wohnungsbaugesellschaft Gewobag im Bezirk Reinickendorf, wo Nachzahlungen von bis zu 3.500 Euro für das Jahr 2022 gefordert wurden. Kommt so etwas häufiger vor?
Die Nachzahlungen fallen dieses Jahr generell recht hoch aus, das liegt vor allem an den gestiegenen Energiekosten und den Folgeproblemen. Wir hören das von allen großen, aber auch vielen kleineren Vermieter:innen. Die Forderungen sind so hoch, dass viele Mieter:innen erschrecken und auch teilweise in Zahlungsschwierigkeiten geraten.

Was kann man tun, wenn man den Verdacht hat, dass die Abrechnung fehlerhaft ist?
Unsere Rechtsberater:innen überprüfen die Forderungen selbstverständlich auf ihre formale und juristische Richtigkeit. Dazu gehört auch manchmal, dass für Teilposten der Betriebskostenabrechnung, die nicht plausibel sind oder im Vergleich extrem hoch ausfallen, die Belegeinsicht ge­fordert werden muss. Wenn die Belege dann von der Hausverwaltung dem Mitglied zugesandt werden, können diese auf ihre formale und rechnerische Richtigkeit geprüft ­werden.

»Wir sehen viele Haushalte mit extremen Kosten konfrontiert.«

Versuchen große Immobilienkonzerne wie etwa Vonovia, durch die Nebenkosten Extraeinnahmen von den Mieter:innen zu erwirtschaften?
Der Verdacht steht deshalb im Raum, weil manche großen Immobilienkonzerne die Dienstleistungen (die über die Nebenkosten abgerechnet werden, wie etwa Hausmeistertätigkeiten oder Instandsetzung des Gebäudes, Anm. d. Red.) an Tochterfirmen abgegeben haben, die dann Rechnungen an die eigenen Mutterkonzerne schreiben. Damit wird das Recht auf Belegeinsicht ad absurdum geführt. Denn dieses Recht besteht eigentlich genau dafür, dass Mieter:innen die Möglichkeit bekommen sollen, die ihnen in Rechnung gestellten Leistungen zu überprüfen. Wenn jedoch die zu überprüfende Rechnung von einer hauseigenen Tochterfirma kommt, wird die Transparenz nicht größer.

Wie häufig sind Mieter:innen nicht in der Lage, die geforderten Nachzahlungen zu zahlen?
Wir sehen viele Haushalte mit extremen Kosten konfrontiert. Dabei ist wichtig zu beachten, dass ein Haushalt durch die hohen Nachzahlungen selbst dann unter das Existenzminimum sinken kann, wenn er über ein mittleres Einkommen verfügt. Wir raten den Haushalten, sich in dem Fall für den Monat, in dem die hohen Zahlungen fällig sind, beim Jobcenter anzumelden. Auf unserer Homepage gibt es dazu das Infoblatt 129.

Ist in Zukunft wieder mit stark erhöhten Nebenkosten zu rechnen, etwa weil die Energiepreisbremse jetzt wegfällt?
Wir betrachten den Wegfall der Energiepreisbremse mit Sorge. Denn die Energiekosten sind nur minimal zurückgegangen und die Einsparpotentiale durch die Mieter:innen sind auch begrenzt. Der Großteil des Verbrauchs ist durch die Art der Wärmedämmung zu beeinflussen. Hier liegt die Aufgabe klar bei der Vermieterin.