Eine neue Partei von ehemaligen Grünen in Österreich, die »Liste Madeleine Petrovic«, will den Bundeswahlkampf aufmischen

Neue Querfront

In Österreich haben ehemalige Mitglieder der Grünen und Impfgegner vor der im Herbst anstehenden Nationalratswahl eine neue Partei gegründet. Die Liste Madeleine Petrovic erinnert an die deutschen Parteien Die Basis und Bündnis Sahra Wagenknecht.

Wien. Durch eine papierbespannte Leinwand, auf der mittig das Logo der österreichischen Grünen angebracht war, brachen drei Frauen. Mit diesem »Knalleffekt« traten Madeleine Petrovic, Monika Henninger-Erber und Nora Summer als Vertreterinnen der neugegründeten Partei Liste Madeleine Petrovic (LMP) am Freitag voriger Woche in Wien vor die Presse.

Von der Nationalratsfraktion der Grünen habe man sich »entfremdet«, erklärte die 67jährige Juristin Petrovic ihre Beweggründe. Die großteils aus der Initiative »Grüne gegen Impfpflicht & 2G« – mittlerweile Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit (GGI) – hervorgegangene Partei will den kommenden Bundeswahlkampf aufmischen.

Petrovics grüne Vergangenheit reicht weit zurück. Seit den achtziger Jahren ist sie in der Wiener Landesorganisation tätig und zog 1990 in den Nationalrat ein, das Unterhaus des österreichischen Parlaments. Dem gehörte sie an, bis sie 2003 in den Niederösterreichischen Landtag wechselte. Es folgten innerparteiliche Konflikte, durch die es stiller um die Abgeordnete wurde. Sie verlagerte ihren Fokus in die niederösterreichische Landespolitik – bis die Covid-19-Pandemie ausbrach. Die zum Schutz vor dieser ergriffenen Maßnahmen sah Petrovic im traditionell impfskeptischen Österreich kritisch – allen voran die Impfpflicht, die 2022 eingeführt, aber wenige Wochen später, noch bevor sie wirklich greifen konnte, schon wieder außer Kraft gesetzt wurde. 

Wichtig sind den Grünen-Abtrünnigen neben einer Demokratie »der mündigen Bürger gegenüber einem übergriffigen Staat« auch »Frieden und Neutralität«. Letztere sei Teil der »österreichischen Identität«.

Auf einer Demonstration der Impfgegnerpartei MFG–Österreich Menschen – Freiheit – Grundrechte wähnte Petrovic eine Verschwörung hinter Covid-19. Sie sei froh, dass auf der Veranstaltung niemand sei, »der von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung oder Pfizer bezahlt« werde, zitierte sie der Sender Puls24.

Petrovic und ihre Mitstreiterinnen ließen bei der Pressekonferenz die Coronapolitik zunächst nur anklingen. Vielmehr sprach man von »Freiheit« sowie der Angst vor »erodierenden Grundrechten«. Erst in der Fragerunde ging man auf die vermeintliche Diskriminierung von Impfgegnern ein, kritisierte das Arzneimittelgesetz und stellte wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Coronavirus nicht näher ­dargelegte eigene »Fakten« entgegen.

Doch anders als MFG möchte sich die Liste Petrovic zu weitaus mehr Bereichen äußern. Man habe Positionen zu »zahlreichen Themen«, sagte die Gemeinderätin Henninger-Erber. Wichtig sind den Grünen-Abtrünnigen neben einer Demokratie »der mündigen Bürger gegenüber einem übergriffigen Staat« auch »Frieden und Neutralität«. Letztere sei Teil der »österreichischen Identität«. Waffenlieferungen in Konfliktgebiete lehne man ab.

Mit allen sprechen

Auf die Frage der Jungle World, welche Lösung man im Ukraine-Krieg anstrebe, gab Petrovic zu, »kein Patentrezept« zu haben. Wichtig sei »intensive Diplomatie«; Österreich sei »gut beraten, sich als ernsthafter neutraler Vermittler anzubieten«. Petrovic betonte neben der »militärischen Neutralität« auch die »politische und wirtschaftliche« Komponente. Die »einseitige Abhängigkeit« von fossiler Energie aus Russland gehöre »überprüft«.

Sprechen müsse man unterdessen »mit allen, ungeachtet politischer Herkunft und Ideologie«, heißt es in einer Pressemappe, die bei der Konferenz ausgegeben wurde. Denn »solange keiner eine Straftat begangen hat«, ergänzte Neupolitikerin Summer, gehe man in den Dialog. Summer bezeichnet sich als »Künstlerin, Stuntfrau, Friedensaktivistin und Humorbeauftragte für heikle Situationen«. Sie bevorzuge anstatt starker Polarisierung »Mut, Selbstwirksamkeit« sowie das »Versprühen von Lebensfreude«. Der GGI sei in zahlreichen Zuschriften zur Parteigründung ermutigt worden, damit die Sympathisanten »nicht die FPÖ wählen« müssten, die lange Zeit die einzige Partei war, die sich für Impfgegner:innen eingesetzt hatte.

Petrovic stellte klar, dass »wir unsere Meinung nicht ändern werden«, sollten die Freiheitlichen einmal einen Standpunkt vertreten, den man teile, eventuelle Mandatsträger der LMP also nicht prinzipiell gegen für sie vertretbare Anträge der FPÖ-Fraktion stimmen würden. Dennoch gehe sie davon aus, dass man in den meisten Fällen sowieso unterschiedlicher Auffassung sei, was wahrscheinlich neben der Ausländerfeindlichkeit auch an der wirtschaftsliberalen Ausrichtung der FPÖ liegt.

Auffallend ähnelt die Neugründung der deutschen Kleinstpartei Die Basis. Esoterik, Impfgegnertum, Appeasement-Politik und mangelnde Abgrenzung nach rechts zeichnen das politische Programm aus.

Auffallend ähnelt die LMP der deutschen Kleinstpartei Die Basis. Esoterik, Impfgegnertum, Appeasement-Politik und mangelnde Abgrenzung nach rechts zeichnen das politische Programm aus. Von grünen Positionen ist bei Petrovics und ihren Mitstreiterinnen der Wunsch nach »Natur-, Umwelt- und Tierschutz« sowie eine Stärkung von kleinbäuerlichen Betrieben gegenüber Großkonzernen übriggeblieben. Sozialdemokratische Anliegen wie »Existenzsicherung und Versorgungssicherheit« zählen zu den sozialen »Kernthemen« der Neupartei, die man bei Die Basis eher nicht findet.

So könnte man versuchen, SPÖ-Wähler abzuwerben oder jenen, die einen Wechsel zur KPÖ erwägen, eine Alternative zu bieten. So gesehen ähnelt die LMP eher einer anderen deutschen Partei, dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das ein ähnlich diffuses Querfront-Sammelbecken darstellt. Dass sich ehemalige österreichische Grüne ebenfalls unter dem Namen einer prominenten Politikerin vereinen, lässt vermuten, dass der Anklang, den das BSW in Deutschland zu finden scheint, zur Nachahmung angeregt hat. 

Organisatorisch zeigt sich eine weitere Übereinstimmung. Zwar könne man der Partei als Fördermitglied »ab fünf Euro pro Monat« beitreten, doch bei Vollmitgliedern müsse man zunächst »sehr genau überlegen, wer zu uns passt«, heißt es. Ein Demokratie­defizit will man dabei nicht erkennen. 
Ob die Liste Madeleine Petrovic bei den Nationalratswahlen im September die Vierprozenthürde überwinden kann, ist indes fraglich, die Grünen schwächen wird man jedoch allemal. Noch läuft nicht alles nach Plan. Kurz nach Beginn der Pressekonferenz stürzte die zuvor noch szenisch durchstie­gene Papierwand auf die Rednerinnen.