Warum Demokraten wie Tim Walz Trump-Anhänger neuerdings als »weird« bezeichnen

Die bizarren Sexwächter

Seit Jahren warnen die US-Demokraten, Donald Trump bedrohe die Demokratie. Als erfolgreicher erweist es sich jetzt, ihn und seine Anhänger schlicht »weird« zu nennen. Vorgemacht hat das als erster Kamala Harris’ Kandidat für die Vizepräsidentschaft, Tim Walz.

Es ist noch gar nicht so lange her, da war Donald Trump ein »Diktator«, ein »Autokrat« und eine »Bedrohung für unsere Demokratie« – so zumindest hörte man es Tag für Tag von US-Präsident Joe Biden. Nun kann man darüber streiten, ob eine zweite Amtszeit Trumps wirklich das Ende der demokratischen Ordnung wäre oder ob den USA und dem Rest der Welt lediglich erneut vier Chaosjahre bevorstehen würden. Aber so lautete nun mal die Botschaft, auf die Biden und sein Team sich festgelegt hatten: Trump ist ein Fascho!

Nun ist Kamala Harris dran. Das hat auch einen rhetorischen Kurswechsel ermöglicht. Auf einmal hört man kaum noch was über Diktatur, Autokratie oder die Bedrohung für die Demokratie. Stattdessen sind Trump und seine Mannschaft nur noch eines: seltsam.

Den Wählerinnen und Wählern war das anscheinend egal. Spätestens seit dem 6. Januar 2021 wird zwar niemand Donald Trump mit einem lupenreinen Demokraten verwechseln, aber die ständigen Horrorszenarien in den Medien lösen mittlerweile nur noch Gähnen aus. Das Argument, Trump sei eine Bedrohung für die Rechtsstaatlichkeit, »ist nach hinten losgegangen«, resümierte Mitte Juli das britische Magazin The Economist. Umfragen würden zeigen, dass das Thema zwar die überzeugten Unterstützer der Demokraten motiviere, aber für die große Mehrheit der Wähler seien Themen wie die Wirtschaftsentwicklung und Migration wichtiger.

Dann sandte die Demokratische Partei ihren Spitzenkandidaten in die Rente. Jetzt ist seine Vizepräsidentin dran: Kamala Harris. Das hat auch einen rhetorischen Kurswechsel ermöglicht. Auf einmal hört man kaum noch was über Diktatur, Autokratie oder die Bedrohung für die Demokratie. Stattdessen sind Trump und seine Mannschaft nur noch eines: seltsam.

Besessen von obskuren Themen

Das hübsche englische Wort weird bedeutet so viel wie »bizarr«, »schräg« oder gar »krank«. In den laufenden Wahlkampf eingeführt hat es Tim Walz, der Gouverneur des US-Bundesstaats Minnesota und der von Kamala Harris ausgewählte Kandidat für die ­Vizepräsidentschaft. »Diese Typen sind einfach nur seltsam«, sagte Walz im Fernsehsender MSNBC. Trump-Anhänger seien verbohrt und besessen von obskuren Themen, so dass man sich beim Familientreffen an Thanksgiving mit ihnen herumstreiten müsse. Von den echten Problemen der US-Bürger hätten »Räuberbarone« wie Donald Trump und J. D. Vance hingegen keine Ahnung. Damit löste Walz einen digitalen Erdrutsch aus. 14mal habe Harris’ Wahlkampfteam das Wort bereits auf X verwendet, berichtete NBC News am Samstag.

Es gibt sogar schon erste Werbespots zum Thema »weird«, und die sind echt … weird! In einem werden Republikaner als unheimliche Männer dargestellt, die eine ungesunde Obsession mit dem Sexleben ihrer Mitbürger haben – und ihnen Abtreibungen und sogar Verhütung verbieten wollen. Der Clip dreht den Spieß gewissermaßen um und denunziert die konservativen Christen der Republikanischen Partei und ihre Sexualmoral als abseits der Norm, wie diese es zuvor mit anderen taten.

Trump darf die Rolle des Caudillo nicht mehr spielen

Offenbar trifft das Wort die herrschende Stimmung. Die Repu­blikaner schlagen entsprechend zurück: Nicht sie seien »weird«, sondern die schräge Linke, die queere Menschen akzeptiere und Drag Queens gut finde! Konservative stünden natürlich, wie seit eh und je, für gesunde amerikanische Werte. Und damit ist der Begriff auf einmal ein völlig normaler Teil der politischen Debatte ­geworden. Jede Seite wirft der anderen vor, außerhalb des Mainstreams zu stehen.

Die Demokraten haben keine andere Wahl. Nach dem misslungenen Attentatsversuch auf Trump vom 13. Juli wäre es verantwortungslos gewesen, weiterhin mit drastischer Gut-gegen-böse-Rhetorik hausieren zu gehen. Nun hat sich die Stimmung ein wenig abgekühlt: Jemand, der schrullige Ideen vertritt, ist weniger bedrohlich als ein Diktator – er ist aber auch, in den Augen der Öffentlichkeit, etwas weniger charismatisch. Seit Trump die Rolle des Caudillo nicht mehr spielen darf, wirkt er erschöpft, ja geradezu schlapp: Die ­heiße Luft ist raus. Auf einmal ist er nur noch ein seltsamer alter Mann.