Donnerstag, 08.02.2018 / 05:01 Uhr

»Knud gegen Böse«, Teil drei - Inkludier mir, Baby

Von
Knud Kohr

Neues vom schwerbehinderten Blogger Ihres Vertrauens.

Wovon leben eigentlich Blogger? Wie genau werden sie so furchtbar reich, und warum dürfen sie immer zwischen mindestens drei Beilagen auswählen, ohne jemals einen Spaten oder eine Maurerkelle in die Hand zu nehmen?

 

All das sind Fragen, die sich mir noch nie gestellt haben. Jedenfalls nicht, bis ich mich vor wenigen Wochen entschied, der übernächste kommende Starblogger in spe im glasharten social-media-Dschungel zu werden. Seitdem hat sich mein Alltag gehörig verändert.

 

Heute morgen zum Beispiel wuchtete ich mich zunächst lässig von meiner Matratze in den parallel gestellten Handrollstuhl. Die ersten zehn Minuten des Tages verbrachte ich dann auf meinem Balkon.

 

Erwähnte ich eigentlich schon, dass der knapp fünf Quadratmeter groß ist? Und hundert Meter entfernt die Spree fließt? Wahrscheinlich schon. Aber ich erwähne es eben so gern.

 

Jedenfalls rollte ich danach in mein barrierefreies Badezimmer. Griff lässig nach den Griffen, um mit einem geradezu akrobatischen hundertachtzig-Grad-Schwung auf das Toilettenbecken überzusetzen... als ich von einem der Griffe abrutschte. Hätte Harold Loyd genauso präzise die einzig mögliche Lücke zwischen Rollstuhl und Griff erwischt? Auf jeden Fall hätte er weniger laut geflucht als ich. Immerhin ergab ich mich in mein Schicksal. Versuchte gar nicht erst, mich ohne fremde Hilfe von den Badezimmerkacheln auf den Rollstuhlsitz zurück zu wuchten. Immerhin hatte ich weder Wunden noch Schwellungen noch Beulen zu beklagen. Also begann ich langsam zu zählen. Eins...zwei...drei... Kaum war ich bei eintausendachthundertzwölf angekommen, öffnete sich die Wohnungstür Die Helferin von Renafan wollte mir gleich in den Stuhl helfen. Keine Chance. Denn ich bin 190 Zentimeter groß und wiege 80 Kilogramm Um auch das noch einmal zu wiederholen. Da der Notdienst, den ich per Knopfdruck jederzeit rufen kann, sich Zeit ließ, klingelte meine Helferin zwei Nachbarn herbei. Die schauten sich die Lage kurz an. Packten zu. Und schon konnte mein Tag beginnen.

 

Fünf Minuten später winkte ich meinen Nachbarn zum Abschied. Ich selbst ließ mich von ihnen zuvor noch schnell an meinen Computer rollen. Denn seitdem ich vor einiger Zeit mal gelesen habe, dass Arbeit wichtig ist, um mich auch als Schwerbehinderter als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu fühlen, arbeite ich jeden Tag ein bisschen. Bis ich nach ein paar Stunden unkonzentriert werde. Oder ich vom Toilettenbecken auf den Boden falle. Man nennt so was glaube ich „Inklusion“.

 

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz auf die Uhr schauen....

 

Jetzt sitze ich schon seit fast anderthalb Stunden an diesem Text. Also mache ich für heute lieber Schluss. Sonst rutsche ich noch aus dem Rollstuhl.

 

Obwohl: Eigentlich wollte ich Ihnen ja erzählen, warum meine Mitbewerber im glasharten Social-Media-Dschungel so reich sind. Reicher noch als ich sogar. Meine Damen und Herren, also habe ich schon ein Thema für meinen nächsten Blog-Beitrag. Haben Sie noch einen schönen Tag!