Dienstag, 08.10.2019 / 15:31 Uhr

Iran-Sanktionen umgehen – eine Anleitung

Von
Gastbeitrag von Julian Pfleging, Sofia Gall und Ulrike Becker

 

Das 8. Banking und Business Forum Iran Europa in Berlin - eine Nachbetrachtung

 

 

Am 19. und 20. September hat im Maritim Hotel Berlin das “8. Banking und Business Forum Iran Europa” stattgefunden. Organisiert wurde dieses Forum von der Frankfurter Maleki Corporate Group GmbH des in Teheran geborenen Bankiers Nader Maleki, die sich auf ihrer Homepage als “innovative Beratungsgesellschaft” bezeichnet.

 

Das erklärte Ziel dieser Konferenz war es, den Handel zwischen Europa und Iran trotz der US-amerikanischen Sanktionen in Gang zu bringen und dabei das iranische Regime als akzeptablen Geschäftspartner zu etablieren.

 

Zu den Besuchern der Konferenz gehörte auch der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst (DIE LINKE). Seine Teilnahme an der Konferenz rechtfertigte der Politiker damit, die iranische Seite solle dazu bewegt werden, den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) weiter einzuhalten. Er wolle zudem dazu beitragen, eine militärische Auseinandersetzung zwischen Iran und den USA verhindern zu wollen, erklärte Ernst weiter. Das Argument, prallere iranische Staatskassen würden zu mehr Frieden in der Region führen, ist in Anbetracht der aggressiven Außenpolitik Irans schlicht absurd. Irans destabilisierende Rolle zeigte sich nicht zuletzt in den Angriffen auf saudi-arabische Ölraffinierien, in den Einschränkung der freien Schifffahrt im Persischen Golf, in der Unterstützung für den syrischen Diktator Baschar al-Assad und in den regelmäßigen Vernichtungsdrohungen gegenüber Israel. Ernst ignoriert darüber hinaus, dass das Abkommen de facto bereits Makulatur ist und das iranische Regime seit Monaten gegen mehrere zentrale Auflagen des Abkommens verstößt

 

Dass jegliche Bemühungen gemäß der Prämisse “Wandel durch Handel” weder politische Stabilität noch eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Region, sondern im Gegenteil den Verlust gesellschaftlicher Errungenschaften und Repression zur Folge haben, wird munter ignoriert. So führte der Abschluss des JCPoA, durch welchen Milliarden in Irans Staatskassen flossen, nicht zu einer Mäßigung, sondern bestärkte das iranische Regime in seinem expansiven außen- und menschenrechtsverletzenden innenpolitischen Kurs. (Vgl. dazu u.a. hier.) Im Gegensatz dazu war es das internationale Ölembargo von 2012, was Teheran erst an den Verhandlungstisch über sein Atomprogramm brachte.

 

Auf der Veranstaltung der Maleki Group machte der Büdinger Rechtsanwalt Harald Hohmann, spezialisiert auf Zoll- und Exportrecht, in seinem Vortrag “Sanctions & EU-Anti-Boycott Regulations” Möglichkeiten des Handels europäischer Konzerne mit iranischen Unternehmen zum Schwerpunkt. Dabei wählte er reale Fälle aus, deren Abschlüsse gerade vorbereitet werden: 

 

“Case 1: The Car Component Case: Company G in Germany wants to export to I in Iran non-essential car components with a value of ca. 6 million EUR per year. The customer I is listed on the SDN list with secondary sanctions. G wants to know whether it can continue with these exports after 06 August 2018 without violating US export law: What must G do in order to continue with these exports (without risking US sanctions)? 

 

Case 2: The Stainless Steel Case: G in Germany wants to sell stainless steel to customer I in Iran, who was listed on E.O. 13599, but since November 2018 is now listed on the SDN list with secondary sanctions. Can G continue his Iran business, especially in case that G wants to continue with his US business? 

 

Case 3: The petrochemical Case: Company G in Germany wants to export to I in Iran several goods (like compressors etc.) for the production of Ethylene and Methanol in Iran. The value of the sales is 5 million EUR per year. In one case, the end-user in Iran is the NIOC (National Iranian Oil Company). G wants to know, whether he can continue with these exports after 04 November 2018 without violating US embargo law. If that is not allowed: What must G do, in order to continue with these exports?”

 

Inhaltlich geht es in allen drei Fällen um Exportgeschäfte, die im Prinzip gegen die US-Sanktionen verstoßen. So stehen die iranischen Vertragspartner auf der US-Sanktionsliste der Specially Designated Nationals (SDN), die seit dem November 2018 wieder über 600 iranische Organisationen, Firmen und Individuen umfasst.  US-Sanktionen sehen aber auch Restriktionen gegen den Handel im Energiesektor, im petrochemischen Sektor, im Handel mit Metallen oder mit Autos vor - also gegen genau solche Geschäfte, um die es in Hohmanns Präsentation geht. 

 

Während nicht-amerikanischen Unternehmen durch sogenannte “Sekundärsanktionen” im Fall wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit sanktionierten Unternehmen ökonomische Konsequenzen drohen, erzählte Hohmann den etwa 50 interessierten Zuhöhrer_innen, über welche Wege Geschäfte wie diese mit Iran dennoch möglich seien. Dabei erläuterte er die verschiedenen rechtlichen Vorschriften, die sowohl von US-amerikanischer, aber auch von EU-Seite zu beachten sind. Vor allem aber ging es um die Gesetzeslücken, die das Geschäft dennoch ermöglichen. Das Iran-Geschäft ist durch Sanktionen und Vorschriften ausgesprochen kompliziert. Hohmann empfiehlt einen komplexen Weg aus Anträgen und Genehmigungen. Das Geschäft auf dem iranischen Markt ist aber so attraktiv, dass immerhin noch 60 deutsche Firmen in Iran aktiv sind.

Außerdem widmete sich der Rechtsanwalt der Frage, wie man Iran-Business und US-Geschäft “at the same time” organisieren kann. 

 

Um einen offenen Bruch der Sanktionen geht es in Hohmanns Vortrag nicht. Stattdessen werden alle möglichen rechtlichen Vorschriften erläutert, die zu beachten sind, um Strafen zu vermeiden und Wege aufgezeigt, wie man für Geschäfte, die die Sanktionen eigentlich verbieten, dennoch Ausnahmegenehmigungen erhalten kann, insbesondere vom amerikanischen Finanzministerium. Es geht also darum, Schlupflöcher zu finden. 

 

Überlegungen, ob das Geschäft mit staatlichen iranischen Stellen oder als Terrororganisationen gelisteten Personen oder Organisationen nicht auch für die beteiligten deutschen Firmen ein Risiko darstellen könnte, oder ob der Handel mit Iran, der vor allem Geld in die Kassen der Revolutionsgarden spült, gerade eine gute Idee ist, finden dagegen keine Erwähnung. Das wird besonders deutlich am dargestellten Fall 3, dem geplanten Geschäft mit der National Iranian Oil Company (NIOC). Die NIOC und ihre Tochtergesellschaft, die National Iranian Tanker Company (NITC), beide durch US-Sanktionsbeschlüsse betroffen (siehe hier, S. 22), stehen in engem Zusammenhang mit den von den USA als Terrororganisation eingestuften iranischen Revolutionsgarden, wie das US-amerikanische Finanzministerium schon 2012 feststellte. Beide Unternehmen spielen zudem bei der Entwicklung und Aufrüstung des iranischen Atomprogramms eine zentrale Rolle.

 

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Quelle: Bild.de

 

Während das Banking- und Businessforum mit Unterstützung der Bundesregierung - ein Vertreter des Auswärtigen Amtes nahm ebenfalls am Forum teil - also den Handel mit Iran weiter fördern will, warnen andere staatliche Institutionen auch in Deutschland vor den Aktivitäten des Regimes. So erklärte der Hamburger Verfassungsschutz, dass das iranische Regime weiterhin auch in Deutschland versucht, illegal an die notwendigen Mittel für das Atomprogramm zu gelangen. Die Vermutung liegt nahe, dass eben jene auf der Konferenz beworbene Handelskooperationen Zahnräder in dem System der militärischen Aufrüstung Irans bilden können.

 

Eine echte Auseinandersetzung mit den Konsequenzen dieser Wirtschaftsförderung fehlt in der deutschen öffentlichen Debatte über Iran. Absolut enttäuschend war auch die Reaktion von Klaus Ernst auf die Proteste gegen das Business- und Banking-Forum. Während das Bündnis STOP THE BOMB zusammen mit studentischen Initiativen und unterschiedlichen exiliranischen Gruppen vor dem Tagungshaus gegen die massive Repression in Iran gegen Oppositionelle, Frauen, Journalist_innen und Gewerkschafter_innen protestierte, tagte Klaus Ernst mit den Wirtschaftslobbyisten im Maritim Hotel. Empört äußerte er sich nicht über die Menschenrechtsverletzungen in Iran, sondern über die Kritik an der Veranstaltung. Ernst forderte die Ausweisung des US-amerikanischen Botschafters Richard Grenell, da dieser sagte, die europäischen Regierungen finanzierten mit dem Nuklear-Abkommen iranischen Terror. Ernst sah darin eine “Ungeheuerlichkeit". 

 

Auch im Vorfeld hatte er kein Wort der Solidarität übrig für diejenigen, die in Iran für Frauen- und Arbeiter_innenrechte kämpfen. Obwohl Ernst alter Gewerkschafter ist, besteht offenbar kein Interesse daran, etwas für die Menschenrechte in Iran zu tun. Aber auch von anderen deutschen und europäischen Politiker_innen sind maximal Lippenbekenntnisse zu erwarten. Die Unterstützung der demokratischen und säkularen iranischen Opposition, die tatsächlich zu einem Frieden in der MENA-Region beitragen könnte, bleibt weiterhin aus.