Samstag, 06.06.2020 / 15:14 Uhr

Bitte kapieren

Von
Amed Sherwan

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(Anti-Gewalt Kampagne in Irakisch-Kurdistan, Bildquelle: Wadi) 

 

In meiner Kindheit war es in den Schulen in Irakisch-Kurdistan völlig normal, dass Kinder geschlagen wurden. Inzwischen ist die Situation viel besser, aber ich erinnere mich noch genau daran, dass ich oft mit dem Stock über die Hände geschlagen wurde, das war so üblich. Einmal hat ein Lehrer mich jedoch so heftig ins Gesicht geschlagen, dass ich mich bei meinem Vater beschwert habe. Er hat mich dann zu einem Gespräch begleitet mit der Schulleitung, die den Lehrer daraufhin streng ermahnt hat. Nach diesem Vorfall wurde die Schule für alle in meiner Klasse ein etwas sicherer Ort. 

Inzwischen hat sich in Kurdistan viel für die Rechte von Kindern getan. Dafür musste der Fokus aber erst auf die Menschenrechtsverletzungen gelenkt werden. Ich weiß nicht, ob sich etwas verbessert hätte, wenn man statt »Rettet die Kinder« von »Rettet die Menschen« gesprochen hätte. Und ich weiß auch nicht, ob es sinnvoll gewesen wäre, den Fokus auf den sicherlich harten Job der Lehrkräfte zu setzen, oder davon zu reden, dass es auch nette Lehrer*innen gibt.

Es regt mich gerade furchtbar auf, dass Leute nicht kapieren, dass #alllivesmatter ein Angriff auf die wichtige Kampagne #blacklivesmatter ist. Und ich denke auch nicht, dass es der Sache dient, sich jetzt als #teampolizei zu definieren. Ich habe selbst das Glück, dass ich wirklich positive Erfahrungen mit der Polizei in Deutschland gemacht habe. Ich bin von der Polizei geschützt worden und habe sehr nette und engagierte Beamt*innen kennengelernt. 

Aber ich kenne auch ganz andere Geschichten und Racial Profiling habe ich natürlich auch schon öfter selbst erlebt. So habe ich kürzlich auf der Straße meinen Ausweis zeigen müssen, weil gerade nach irgendjemandem gefahndet worden ist, der mir bis auf die Haut- und Haarfarbe nicht ähnlich sieht. Ich glaube, dass es auch und gerade im Sinne der antirassistischen Beamt*innen ist, wenn der Fokus auf die Probleme der Polizeigewalt gelenkt wird. Es geht hier um strukturelle Probleme in der Polizei, unter denen ja auch Polizist*innen leiden, die sich intern dagegen wehren.

Wenn man über die Verfolgung von Ungläubigen im Islam spricht, nützt es der Sache auch nicht, wenn man darauf hinweist, dass auch Gläubige Rechte haben. Und es bringt auch wenig darauf hinzuweisen, dass es auch Gläubige gibt, die Ungläubige nicht verfolgen. Man muss verdammt noch mal genau das Problem benennen! 

Also kapiert es endlich: Das Leben alle Leute ist wichtig und es gibt überall solche und solche. Aber hier geht es ganz konkret um Rassismus und Polizeigewalt.