Donnerstag, 29.10.2020 / 19:12 Uhr

#JesuisFrance; Wir sind alle gemeint

Von
Amed Sherwan
d
Bildquelle: Association "Je suis France"

 

Ganz Frankreich wurde angegriffen? Nein, wir alle wurden angegriffen! #JesuisFrance.
Denn alle Menschen weltweit, die für Meinungsfreiheit und demokratische Werte einstehen, sind gemeint.

Ich habe meine Geschichte veröffentlicht, weil damit etwas bewegen wollte. Ich wollte zeigen, welche repressiven Muster in muslimischen Communitys herrschen, aber auch Wege raus aufzeigen. Denn tatsächlich hatte ich immer mal wieder Hoffnung, dass sich etwas bewegt.

Aber im Moment bin ich nur wütend und verzweifelt. Ich verfolge mit Entsetzen, wie Menschen, die ich bisher als relativ moderat erlebt habe, sich für ihren Scheißpropheten gerade machen, statt sich mit den Opfern des islamistischen Terrors zu solidarisieren. Was stimmt denn mit euch nicht? Diese faschistische Auslegung des Glaubens hat schon so viel Leid über die muslimische Welt gebracht. Kapiert ihr das nicht? Hier geht es verdammt noch mal nicht um einen Krieg zwischen Ungläubigen und Gläubigen. Hier geht es um islamofaschistischen Terror, der Gewalt und Zerstörung feiert und euch zu Geiseln macht.

Über alle Gläubigen, die sich ihrer faschistischen Auslegung des Islams nicht beugen, wird Takfīr gesprochen. Und statt drauf zu scheißen, verfallt ihr demselben Wahn oder schweigen. Kapiert ihr denn nicht, dass das Leute sind, die auch euch eure Freiheiten nehmen wollen? Sie verkörpern genau die Hölle, vor der wir geflüchtet sind. Euer Schweigen ist Zustimmung!

Wer sich klar gegen Terrorismus und für demokratische Werte ausspricht, braucht unsere volle Unterstützung! #StandWithMacron

Als die muslimische Community und Christchurch angegriffen wurde, stand die ganze Welt zusammen. Ich erwarte jetzt dieselbe Geste aus muslimischen Kreisen. Ihr dürft euren Propheten weiter feiern und euch meinetwegen auch durch ein paar fucking Bilder gekränkt fühlen. Und ja, wir können auch darüber reden, wie Karikaturen Rassismus befeuern kann. Aber verdammt noch mal distanziert euch von der Gewalt. Wenn es euren Allah gibt und er so groß ist, dann braucht er keine Soldaten.

Ich merke jetzt schon, wie die antimuslimischen Faschisten sich über die Entwicklung freuen. Im Moment können sie sich zurücklehnen und zuschauen, wie die muslimischen Communitys ihre Arbeit für sie machen, in den Terroristen die Definitionsmacht überlassen und damit Angst befeuern. Aus dieser Angst wird Hass und der wird nicht nur die Islamofaschisten treffen, sondern auch Leuten wie mir das Leben schwerer machen.

Wenn ich in die hasserfüllten Gesichter auf den Demos in Bangladesch, Pakistan, Irak, Syrien, Palästina oder Jemen gucke, wird mir schlecht. Und wenn ich die kleinen Kinder sehe, die dort mitlaufen, weiß ich, dass ich damals auch mitgekommen wäre, um die Ehre meines geliebten Propheten zu verteidigen. Weil ich es nicht anders kannte.

Aber wenn ich solche Demos in Frankreich sehe, bin ich verzweifelt. Was läuft hier falsch, wenn junge Leute einem mörderischen Kult verfallen. Warum gibt es überall Faschos, die Meinungsfreiheit verachten und Bücher verbrennen, Führern folgen, Juden hassen und alles was bunt und vielfältig ist?

Ich befreie mich selbst nur ganz langsam von schlichten Feindbildern, Rachegefühlen und Gewaltphantasien. Ich möchte an der Hoffnung festhalten, dass es anderen auch gelingen kann.