Neonazi-Aufmarsch in Wunsiedel

Wunsiedels braune Plage

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2011 endete der Pachtvertrag für Heß’ Grab. Das Grab wurde aufgelöst, die Überreste der Leiche wurden verbrannt. Der inoffizielle Heß-Gedenkmarsch wurde auf den 16. November, den Volkstrauertag, verlegt. Zunächst wurden die Veranstaltungen aus dem Umfeld des Dachverbands freier Kameradschaften Freies Netz Süd heraus ­organisiert. Seit 2013 tritt dessen Nachfolgeorganisation, die neonazistische Kleinpartei »Der III. Weg«, als Organisator auf und führt die Tradition des Märtyrerkults fort.

»Von Beginn an ist dieser Marsch für die Neonazis ein wichtiges Gedenken an ihre gefallenen ›Helden‹ von Wehrmacht und Waffen-SS« gewesen, sagt der Journalist und Szenekenner Jan Nowak im Gespräch mit der Jungle World. »Es geht um die Verherrlichung ihrer Vorbilder, stellvertretend für den historischen Nationalsozialismus allgemein. Dadurch vergewissern sie sich eines fiktionalen Geschichtsbildes, vor dessen Hintergrund die Taten der ›Ahnen‹ und die eigene Politik legitim erscheinen.« Aus dem bei der Veranstaltung propagierten »Opfermut der deutschen Soldaten«, dem »Leiden der Zivilbevölkerung« und den »Verbrechen der Alliierten« resultiere aus Sicht der Neonazis die Verpflichtung, den Kampf ihrer historischen Vorbilder fortzusetzen.

Die Mitglieder von »Der III. Weg« sind in Wunsiedel mittlerweile weitgehend unter sich. Andere Neonazis oder auch das eigene subkulturelle Umfeld konnten in den vergangenen Jahre kaum noch mobilisiert werden. Auch in diesem Jahr rechnet Nowak mit nur etwa 200 Teilnehmern. »Im Mittelpunkt steht die ideologische Selbstvergewisserung. Bezüge auf Rudolf Heß sind aufgrund der Gesetzeslage seltener geworden, vereinzelt gibt es sie aber noch«, so Nowak. So trugen einem Bericht des Informationsportals »End­station Rechts. Bayern« zufolge etwa 2016 einige Neonazis ein Banner mit dem Satz »Dein Heldengrab ist überall«, der sich auch in einem offenbar Heß gewidmeten Lied der rechtsextremen Rockband Stahlgewitter findet, durch Wunsiedel.

Für den kommenden Samstag mobilisieren antifaschistische Gruppen aus Bayern, Leipzig und Dresden zu einer Gegendemonstration. Anders als in den ­vergangenen Jahren möchte man wieder ein deutliches Zeichen gegen das »Heldengedenken« setzen.