Donald Trump ist aus den großen US-Fernsehsendern verschwunden

Es geht auch ohne ihn

Seit Donald Trumps Amtsabtritt zeigen die großen US-Fern­sehsender, dass es durchaus möglich ist, ihn zu ignorieren – einst hatten sie ihm durch exzessive Bericht­erstattung erst zu seinem Aufstieg verholfen. Daran könnten sich auch die Medien in Deutschland ein Vorbild nehmen.
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Es gab Zeiten – lang sind sie her –, da kündeten überraschend eingespielte Breaking-News-Jingles bei CNN davon, dass sich irgendwo auf der Welt etwas sehr Wichtiges mit womöglich weitreichenden internationalen Folgen ereignet hatte. Ein Militärputsch beispielsweise, ein Attentat auf ein Staatsoberhaupt oder ein Terroranschlag. Aber weil die Sache mit den Eilmeldungen so gut lief, kamen ­irgendwann auch Meldungen über überraschend verstorbene Popstars oder europäische Königshäuser hinzu.

Und dann, im Jahr 2015, bestanden die Breaking News plötzlich hauptsächlich aus Donald J. Trump. Denn der Multimilliardär und Reality-TV-Star kündigte im Juni jenes Jahres an, als US-Präsident zu kandidieren. Vielleicht war es die Gier nach ohne viel Aufwand zu erreichenden hohen Einschaltquoten, vielleicht die Freude über etwas Abwechslung vor einem Wahlkampf, der, so waren sich viele Experten sicher, damit enden werde, dass in den USA zum ersten Mal eine Präsidentin gewählt werden würde. Oder vielleicht war es auch nur Spaß daran, einen ausgewiesenen Trottel im Fernsehen vorzuführen.

Eine endlose Reihe von Trump-Auftritten wurde live gesendet und anschließend ausgiebig von Experten diskutiert. Dass der ­damalige Möchtegern-Präsident Medien wie CNN inbrünstig verachtete, wurde nicht als bedrohlich wahrgenommen, sondern eher belächelt, denn ohne mainstream media, darin waren sich alle Politprofis einig, habe Trump keine Bühne, und das sei ihm ja sicher selbst klar.

Wie naiv Journalisten damals waren! Entgegen den meisten Prognosen wurde Trump zum Präsidenten gewählt. Im Amt hielt Trump sich nicht etwa zurück. Seine Angriffe auf CNN und Co. ­gingen weiter, Reporter wurden während seiner als Großveranstaltungen inszenierten Kundgebungen bedroht und in manchen Fällen körperlich attackiert. »CNN hat die Übertragung gerade beendet, einfach abgeschaltet haben sie mich«, rief Trump bereits vor der Präsidentschaftswahl mitten in Reden aus, das könne man daran sehen, dass die Lämpchen an den Kameras rot leuchteten. Während Millionen Menschen auf der ganzen Welt auf CNN die mitnichten abgebrochene Live-Übertragung sehen konnten, waren die Trump-Fans in den Hallen außer sich vor Empörung über die vermeintliche Zensur.

Es sollte noch Jahre dauern, bis sich die großen Sender entschieden, Trumps Hass- und Lügengebräu nicht mehr tagtäglich zu verbreiten. Doch während seiner Amtszeit hatten sich neben Fox News bereits weit extremere rechte Fernsehsender etabliert. Und Anhänger von Verschwörungsmythen, die auch der Präsident gern wiedergab, hatten bereits mehrere Menschen getötet.

Erst mit Trumps Amtszeit als Präsident endete auch seine mediale Omnipräsenz, vorerst zumindest, denn falls sich der ehemalige Präsident zu einer erneuten Kandidatur entschließen sollte, werden die großen Sender nur schwer rechtfertigen können, seine Veranstaltungen und ihn betreffende Kontroversen nicht im Fernsehen zu übertragen. Aus diesem Problem, dass sich die US-Medien zumindest anfangs formvollendet selbst eingebrockt haben, könnte man anderswo lernen.

Beziehungsweise hätte man lernen können. Allem Anschein nach werden jedoch auch in Zukunft im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiterhin Repräsentanten und Repräsentantinnen der AfD in praktisch jeder Talkshow sitzen, ungebremst ihre Sicht der Dinge schildern dürfen, und sich insgeheim darüber kaputtlachen, dass ausgerechnet die Sender, die sie am liebsten abschaffen würden, weil linksversifft, ihnen zuver­lässig zu besten Sendezeiten eine kostenlose Bühne bieten.

Irgendwie sei das halt der öffentlich-rechtliche Auftrag, Meinungsvielfalt, Ausgewogenheit und so, heißt es dann gern, wenn gegen die Daueranwesenheit rechter Politik protestiert wird. So einfach kann man es sich machen: Wer es kritisch sieht, Rechten in Talkshows eine Bühne zu bieten, ist im Prinzip undemokratisch. Aber darüber kann mutmaßlich erst geredet werden, wenn es bereits zu spät ist.