Freitaler Mitte
Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge werden Unterkünfte für Flüchtlinge dringend benötigt. Ausgerechnet die mit 40.000 Einwohnern größte Stadt im Landkreis, Freital, vermeldete nun, dass man keine weiteren Unterkünfte zur Verfügung stellen könne.
Dies teilte Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg Anfang des Monats dem zuständigen Landratsamt mit. Rumberg war 2015 als CDU-Kandidat zum Oberbürgermeister gewählt worden, trat 2020 aus der Partei aus und wurde 2022 als Kandidat einer regionalen Wählergemeinschaft namens Konservative Mitte wiedergewählt.
Derzeit sind in dem Landkreis 338 Vertriebene aus der Ukraine und 1.989 Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften oder vom Landkreis verwalteten Wohnungen untergebracht – davon nach Auskunft des Landkreises nur 166 in Freital. Trotz dieser sehr geringen Zahl behauptet Oberbürgermeister Rumberg, es gäbe in der Stadt keinen freien Wohnraum mehr.
Auch der Vorsitzende der Kreistagsfraktion der Konservativen Mitte, Martin Rülke, sagte, »Freital ist nicht in der Lage, zusätzliche angemessene Kapazitäten zu mobilisieren.« Es sei das »Verdienst von Oberbürgermeister Rumberg, dies im Interesse der Stadt deutlich gemacht zu haben«, so Rülke in einer Stellungnahme seiner Fraktion weiter. Potentielle Vermieter in der Stadt seien außerdem nicht mehr bereit, der Bundesregierung durch die Unterbringung von Geflüchteten »unter die Arme zu greifen – nachdem diese im Hinblick auf Corona, Krieg und Energiewende ihrerseits keine Rücksichtnahme auf ihre Belange genommen hat«, hieß es in der Erklärung.
Die im Speckgürtel der Landeshauptstadt Dresden gelegene Kreisstadt erfreut sich seit einiger Zeit einer größeren Beliebtheit. Nicht wenige Großstädter zieht es nach Freital. Dennoch fördert eine Kurzrecherche im Internet mehr als drei Dutzend zur Vermietung inserierte Wohnungen zutage. Selbst die städtische Wohnungsgesellschaft Freital bietet auf ihrer Website sechs Wohnungen zur Miete an.
»Der Oberbürgermeister Rumberg zeigte in der Vergangenheit immer wieder Verständnis für rechtspopulistische Ansichten.« Michael Nattke, Kulturbüro Dresden
»Der Oberbürgermeister Rumberg zeigte in der Vergangenheit immer wieder Verständnis für rechtspopulistische Ansichten«, sagte Michael Nattke vom Kulturbüro Dresden, dem Träger der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus und für Demokratieentwicklung in Sachsen, der Jungle World. Nach seiner ersten Wahl zum Oberbürgermeister 2015 sagte der damalige CDU-Politiker Rumberg, dass stärker unterschieden werden müsse »zwischen wirklich Hilfsbedürftigen und sogenannten Glücksrittern, die nach Deutschland kommen, um auf Kosten der Gemeinschaft ein sorgloses Leben ohne Gegenleistung zu führen«.
Vor drei Jahren trat Rumberg mit acht Mitstreitern aus der CDU aus – darunter der örtliche CDU-Vorsitzende und der CDU-Stadtratsfraktionsvorsitzende. Gemeinsam gründeten sie die Wählervereinigung Konservative Mitte. »Was an Corona-Politik auf Bundes- und Landesebene stattfindet, können wir nicht mehr nachvollziehen«, gab Rülke vor einem Jahr in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung als einen der Gründe für den Austritt an. »Die Bewegung Richtung links war unter Merkel deutlich spürbar«, so Rülke weiter. Wegen dieser Politik hätte »die CDU im Landkreis Stammwählerpotential eingebüßt und das Ganze führte zu Parteiaustritten«. Wichtig sei es außerdem, »dass man Menschen, die politisch aus Parlamentssicht rechts sitzen, nicht gleich zu Rechtsextremen macht«.
In Freital, das vor dem Zweiten Weltkrieg als sozialdemokratische Musterstadt galt, stoßen solche Ansichten auf große Zustimmung. Im vergangenen Jahr wurde Uwe Rumberg als Oberbürgermeister bestätigt. Er erhielt 60,8 Prozent der Stimmen, 9,5 Prozentpunkte mehr als noch 2015, und wurde damit für weitere sieben Jahre gewählt. Mit diesem Wahlerfolg kann sich die Konservative Mitte als Wählervereinigung wohl langfristig etablieren. »Die Konservative Mitte hat ein starkes Netzwerk in Freital aufgebaut«, konstatiert Nattke.
Eine Möglichkeit für die Unterbringung von Flüchtlingen wäre das ehemalige Hotel der Leonardo-Kette in Freital gewesen. In die Unterkunft mit rund 160 Zimmern waren im Jahr 2015 Geflüchtete untergebracht worden. Unter dem Druck rassistischer Proteste räumte das Landratsamt die Asylunterkunft im Sommer des darauffolgenden Jahres. 330 damals dort untergebrachte Menschen mussten ausziehen. In dem leerstehenden Gebäude hat es vor kurzem mehrfach gebrannt. Ende Juni musste die Feuerwehr ausrücken, weil mehrere Gegenstände in einem Zimmer in der ersten Etage in Flammen standen. Es war der dritte Brand in dem Gebäude innerhalb weniger Tage. Brandstiftung wird von den Ermittlungsbehörden nicht ausgeschlossen.