Die Zukunft der Söldnertruppe Wagner in Afrika

Prekäre Zukunft für die Wagner-Söldner

Nach dem Tod des Wagner-Gründers Jewgenij Prigoschin ist die künftige Rolle der Söldnertruppe in Afrika unklar. Konkurrenz­unternehmen stehen bereit, um das Geschäft zu übernehmen.

Am Montag voriger Woche wurde ein Video veröffentlicht, in dem der Wagner-Gründer Jewgenij Prigoschin munter erklärte, seine Truppe mache Afrika noch freier. Zwei Tage später war er tot. Nach dem Flugzeugabsturz und dem Tod der Anführer der Gruppe Wagner ist die Zukunft des »privaten Militärunternehmens« ungewiss; als sogenannte private military company (PMC) bezeichnet sich die Truppe selbst, trotz nachgewiesener Beziehungen zum russischen Verteidigungsministerium und anderen staatlichen Institutionen.

Insbesondere ist die künftige Rolle der russischen Söldner in Afrika unklar, wo Wagner seit 2017, zunächst im Sudan und wenig später in der Zentralafrikanischen Republik sowie in Libyen, eine neue Einflusszone für Russland eröffnete. Vor allem in Mali ist die Söldnertruppe militärisch gegen die Jihadisten aktiv, in Niger möchte sie mit den Putschisten ins Geschäft kommen.

Am 24. August, am Tag nach dem Flugzeugabsturz in der Nähe von Kuschenkino in der Oblast Twer, unterschrieb Staatspräsident Wladimir Putin ein Dekret, das Söldner, auch die vorgeblich privat agierenden Kämpfer Wagners, künftig zu einem Treueeid auf den Staat verpflichtet. Dadurch versucht die Staatsführung in Moskau ­offenkundig, die Söldnertruppe besser unter Kontrolle zu bekommen, um zu verhindern, dass sich so etwas wie der bewaffnete Protestmarsch von Wagner-Truppen vor zwei Monaten wiederholt.

Zum Teil könnte Wagner durch andere PMCs ersetzt oder ergänzt werden, wobei eine gewisse Konkurrenz zwischen den Söldnerunternehmen den Einfluss des Staats verstärken würde. Am Freitag voriger Woche benannte die Pariser Abendzeitung Le Monde zwei PMCs, die bereits dabei seien, Söldner für Afrika zu rekrutieren, wo Russland seit Jahren versucht, Frankreich in seinem bisherigen post- und neokolonialen Hinterhof Konkurrenz zu machen und es zu verdrängen.

Einen Tag nach dem Flugzeug­absturz unterschrieb Präsident Putin ein Dekret, das Söldner künftig zu einem Treueeid auf den Staat verpflichtet.

Es handelt sich einerseits um Redut, eine Firma, die bislang im Phosphathandel in Syrien – wo in den meisten Gebieten faktisch Russland und der Iran, miteinander rivalisierend und kooperierend, weitgehend die Kontrolle ausüben – sowie in der Ukraine aktiv ist. Le Monde zufolge wird sie angeblich von General Andrej Awerjanow vom russischen Militärgeheimdienst GRU geführt. Der scheint, wie internationalen Medien annehmen, eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung des Einflusses von Wagner zu spielen.

Unter Berufung auf einen anonymen russischen Insider mit Beziehungen zu russischen Sicherheitsdiensten vermeldete der US-amerikanische Think Tank Institute for the Study of War vorige Woche, Awerjanow habe die Bemühungen angeführt, Wagner möglichst komplett aus den Afrika-­Geschäften zu drängen, und es gebe Pläne, eine Armeeeinheit mit mehr als 20.000 Soldaten als Ersatz für Wagner zu schaffen und zu trainieren. Am Wochenende schrieb die nordmazedonische Zeitung Sloboden Pečat (Freie Presse) möglicherweise etwas vereinfachend: »Andrej Awerjanow könnte an die Spitze von Wagner treten.« Die französische Wirtschaftszeitung Les Échos titelte am Montag über Awerjanow: »Der Kader der russischen Geheimdienste, der Prigoschin in Afrika ersetzen könnte«, und bezeichnete ihn als den Leiter der Einheit 29155 des GRU, die für Mordoperationen und Destabilisierungsaufträge im Ausland zuständig sei. Awerjanow nahm am 27. und 28. Juli am Afrika-Gipfel in Sankt Petersburg teil. Dort ließ sich auch Prigoschin blicken, an der Seite des Sicherheitschefs von Faustin-Archange Touadéra, dem Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik (ZAR).

Zudem rekrutiert Le Monde zufolge die Firma Konwoj Söldner für Afrika. Diese werde von Konstantin Pikalow geleitet, einem früheren Angestellten Prigoschins; er sei für dessen Söldnerfirma Wagner in der ZAR, auf Madagaskar und in der Ukraine tätig gewesen.

Aber man kann man wohl nicht davon ausgehen, dass die von Prigoschin gegründete PMC einfach verschwinden wird. Der Spiegel zitiert gleichwohl in seiner jüngsten Ausgabe den russischen Journalisten und Geheimdienstexperten Andrej Soldatow mit den Worten: »Die Wagner-Leute sind professionelle Söldner, die können auch ­direkt für den GRU arbeiten, ohne dass ein Prigoschin dazwischen vermittelt.«

Der in der tschadischen Hauptstadt N’Djamena ansässige Regionalkorrespondent von Le Monde, Carol Valade, hält eine solche Entwicklung für weniger wahrscheinlich. Er geht davon aus, dass der russische Staat mehr direkten Einfluss auf Wagner nehmen wird, und weist darauf hin, dass am Dienstag voriger Woche, dem Tag vor dem Absturz Prigoschins, Russlands stellvertretender Verteidigungsminister Junus-bek Jewkurow in Libyen mit dem Warlord Khalifa Haftar zusammengetroffen sei. Letzterer erhielt seit 2017 Militärhilfe von russischer Seite durch die Wagner-Truppe.

Valade relativiert jedoch die angeblichen militärischen Erfolge der Wagner-Kombattanten: Diese seien beim Angriff auf Tripolis 2019/2020 ebenso gescheitert wie bei ihrem Einsatz gegen Jihadisten im Norden von Mosambik, von wo sie nach wenigen Wochen und starken Verlusten abgezogen seien. Doch noch zehre Wagner vom Ruf der Truppe und der Furcht, die die Nennung des Namens einflößt.

Russischen, aber auch chinesischen Einfluss in Afrika absichern soll die Erweiterung der Brics-Staatengruppe, benannt nach den Initialen von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Valade hält es für unwahrscheinlich, dass das Wagner-Unternehmen in ­Afrika gänzlich ersetzt werde; und wenn, dann eher durch andere PMCs und nicht vollständig durch direktes Engagement des russischen Staats. Denn das brächte juristische Probleme internationaler Tragweite mit sich, denn zumindest offiziell bestreite Russland, in Libyen militärisch einzugreifen. Im Übrigen sei Wagner in Afrika nicht allein militärisch aktiv, sondern organisiere Propaganda und besitze auch wirtschaftliche Funktionen. Wagner-Dependancen handelten in der ZAR etwa mit Diamanten, Gold, Edelhölzern und seit kurzem auch mit ­alkoholischen Getränken.

Russischen, aber auch chinesischen Einfluss in Afrika absichern soll ferner die Erweiterung der Brics-Staatengruppe, benannt nach den Initialen von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Sie traf sich vom 22. bis 24. August in Johannesburg auf Einladung der südafrikanischen Regierung zu ihrem 15. Gipfeltreffen. Diese lavierte diplomatisch: Präsident Cyril Ramaphosa erklärte kurz vor der Gipfeleröffnung, er wolle sich nicht an einer Großmachtkonkurrenz beteiligen. Putin wurde per Videokonferenz zugeschaltet, da zuvor offengeblieben war, ob die südafrikanischen Behörden nicht den Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs gegen ihn vollstrecken würden.

Auf dem Gipfel beratschlagten die beteiligten Mächte über eine Ausdehnung der Staatengruppe. Beschlossen wurde eine erste Erweiterung, die am 1. Januar 2024 zur Aufnahme sechs neuer Mitgliedstaaten führen soll: Argentinien, Äthiopien, Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Iran.

Hingegen wurde das Beitrittsgesuch Algeriens zurückgestellt. Das Brutto­inlandsprodukt des Landes – rund 3.500 Dollar pro Jahr und Ein­wohn­er:in – erschien wohl zu schwach, die Öko­nomie zu einseitig auf den Export von Rohöl und Erdgas ausgerichtet. Zwar steht Ägypten ökonomisch kaum besser da, doch beherbergt das Land den Sitz der Arabischen Liga; entsprechend dürfte Äthiopien aufgenommen worden sein, weil dort die Afrikanische Union ihren Hauptsitz hat. Dies deutet darauf hin, dass es bei dem Treffen vor allem um Geopolitik und politische Symbolik ging.

Über die Festsetzung der Rohöl­preise dürfte eher bei der Opec als bei den Brics-Staaten diskutiert werden.

Der brasilianische Journalist Pepe Escobar, Lautsprecher eines internationalen publizistischen Netzwerks, das sich einem Antiimperialismus à la ­Putin verschrieben hat, vermeldete triumphierend: »Mehr noch als ein geopolitischer und geoökonomischer Durchbruch ist der Zusammenschluss der Brics 11 ein echter Paukenschlag an der Energiefront. (…) Der kollektive Westen könnte bald seine Macht ver­lieren, die globalen Ölpreise zu kontrollieren, und damit auch die Mittel, ­seine einseitigen Sanktionen durchzusetzen.«

Erheblich relativiert wird die reale geopolitische Bedeutung des geplanten neuen Brics-Zusammenschlusses (Brics 11) hingegen von anderen Kommentatoren wie dem südafrikanischen Hochschulprofessor Bhaso Ndzendze und weiterer Autoren der in Melbourne erscheinenden internationalen populärwissenschaftlichen Zeitschrift The Conversation. Die Skeptiker verweisen auf die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Mächte und die Konkurrenz zwischen ihnen. China, das meist als treibende Kraft hinter der Erweiterung dargestellt wird, ist beispiels­weise eher Konkurrent denn enger Bündnispartner Indiens, das eher bremste.

Über die Festsetzung der Rohöl­preise dürfte eher bei der Opec als bei den Brics-Staaten diskutiert werden. Und die Neue Entwicklungsbank (NBD) der Staatengruppe vergab bislang nur wenige Kredite. Sie soll zwar eine wichtige Rolle bei der Ersetzung des US-Dollar als internationale Leitwährung spielen und Kreditgeschäfte in Währungen der Mitgliedsstaaten abwickeln. Doch selbst nach den offiziellen Brics-Plänen sollen im Jahr 2030 erst 30 Prozent der Projekte der NBD in anderen Währungen als dem US-Dollar abgerechnet werden.