Hubert Aiwanger bleibt populär

Ein Menschenfreund im Bierzelt

Hubert Aiwanger bleibt im Amt. Die Diskussion über das Nazi-Pamphlet, das er als Schüler mit sich herumtrug, könnte ihm politisch sogar nutzen.
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Zu seinem Glück ist Hubert Aiwanger, der stellvertretende Ministerpräsident von Bayern aus der Partei »Freie Wähler«, kein Einzelkind. So konnte sein Bruder Helmut – der nicht in der Öffentlichkeit steht – die Verantwortung für ein vor 36 Jahren bei Hubert ­gefundenes Flugblatt übernehmen.

Das Pamphlet trug die Überschrift »Bundeswettbewerb: Wer ist der größte Vaterlandsverräter?«, für den ersten Platz lobte es einen »Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz« aus. Als weitere »Preise« offerierte das Pamphlet unter anderem »einen lebenslänglichen Aufenthalt im Massengrab«, »einen kostenlosen Genickschuss« und »eine kostenlose Kopfamputation durch Fallbeil«.

Die von den Gebrüdern Aiwanger vorgeschobene Begründung, Helmut alleine habe das Flugblatt »aufgrund seiner problematischen schulischen Situation und seines Ärgers mit Lehrern erstellt«, ist genauso unglaubwürdig wie Huberts mannigfaltige Beteuerungen, an Einzelheiten könne er sich nicht erinnern. Nachdem die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet hatte, dass Hubert das Flugblatt Ende der achtziger Jahre verfasst und an seiner Schule verteilt habe, kamen in der vergangenen Woche weitere Berichte von Mitschülern in anderen Medien hinzu.

So habe Hubert, wie der Bayerische Rundfunk (BR) berichtete, »judenfeindliche Witze über Auschwitz« erzählt, beim Betreten des Klassenzimmers schon mal den Hitlergruß gezeigt und oft Reden von Adolf Hitler imitiert. »Türkische Mitbürger hat er zum Beispiel als ›Kanaken‹ bezeichnet, Dunkelhäutige als ›Neger‹ und Homosexuelle als ›Schwuchtel‹«, sagte ein ehemaliger Mitschüler dem BR.

Eine Forsa-Umfrage ergab, dass in Bayern 72 Prozent der Befragten es richtig fanden, dass Aiwanger im Amt blieb.

»Es ist auf alle Fälle so, dass vielleicht in der Jugendzeit das eine oder andere so oder so interpretiert werden kann«, sagte Hubert Aiwanger Fernsehjournalisten, aber »seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte«, sei er »kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund«. Später korrigierte er sich in der ­Tageszeitung Welt: »Das war von mir in einem Kamerainterview zwischen Tür und Angel missverständlich formuliert. Ich war nie ein Antisemit.«

Überhaupt versteht Hubert Aiwanger die ganze Aufregung nicht und wittert eine üble Kampagne und »Hexenjagd« gegen sich selbst: »Ich bin überzeugt davon, dass die SZ, womöglich mit ­Hilfe anderer Kreise, von langer Hand geplant hatte, mich massiv zu beschädigen und politisch zu vernichten«, sagte er der Welt. Zu dem Zweck werde »hier die Shoah zu parteipolitischen Zwecken missbraucht«, so Aiwanger. Daran zeigt sich, wie wenig sich die Aiwang­er’sche Weltsicht in den vergangenen 36 Jahren verändert hat: Die finsteren Mächte, die von den Medien und »anderen Kreisen« gesteuert werden, sind nur darauf aus, ihn »zu vernichten«.

Mund abwischen, weitermachen: Am Montag jubelten Aiwanger auf dem Volksfest Gillamoos bei seinem Bierzeltauftritt die An­wesenden zu. Die vermeintliche Kampagne hat ihm nicht geschadet. Ganz im Gegenteil könnte sie Aiwanger bei den Wählern in Bayern noch populärer gemacht haben. Eine Forsa-Umfrage ergab, dass in Bayern 72 Prozent der Befragten es richtig fanden, dass Aiwanger im Amt blieb. Am 8. Oktober sind Landtagswahlen, dann weiß man Genaueres.

In seiner Rede am Montag wetterte Aiwanger wie gewohnt gegen das sogenannte Heizungsgesetz und das Selbstbestimmungsgesetz, die von der Bundesregierung geplant sind. Diese seien Vorhaben, »die man als Normalbürger nicht verstehen kann«, sagte er. Der Unterschied zwischen einem Nazi und einem »Normalbürger« war schon seit Bestehen der Bundesrepublik, dass der »Normalbürger« weiß, worauf die Sozialwissenschaftler mit der Frage, ob die ­Juden zu viel Macht hätten, hinauswollen, und sie deshalb vorsichtshalber verneint. Zumindest das hat auch Hubert Aiwanger in den vergangenen 36 Jahren irgendwann gelernt.