Vorschläge für den Kampf der Gewerkschaften gegen Rechtsextremismus

Mit Adorno und Sanktionen

Die Gewerkschaften bemühen sich darum, Rechtsextremis­­mus bei Arbeiterinnen und Arbeitern zu bekämpfen – bisher mit mäßigem Erfolg. Denn rationale Argumente alleine reichen dafür nicht.
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Die Wählerschaft der AfD setzt sich zu einem großen Teil aus männlichen, nicht mehr ganz jungen, in der Industrie oder dem Handwerk beschäftigten Arbeitern zusammen. Mit dieser Klientel in ständigem Kontakt stehen die Betriebsräte und die Jugendvertreter und Vertrauensleute der Gewerkschaften. Allein die IG Metall dürfte weit über Hunderttausend solcher Funktionäre haben. Nutzt sie diese Gruppe, um der AfD die Hetzpropaganda zu erschweren?

Im Prinzip ja, müsste die Antwort im Stil des sprichwörtlichen Radio Eriwan lauten, aber leider ohne großen Erfolg. Woran hapert es? Die Gewerkschafter verlassen sich augenscheinlich zu sehr auf rationale Argumente. Damit allein ist der Hetze der AfD nicht beizukommen. Wer mit solchen Leuten je debattiert hat, kennt die Erfahrung: Irgendwann ist das Gegenüber mit Fakten und Zusammenhängen nicht mehr erreichbar. Jedes Argument zerschellt wie an einer Wand der gewollten Ignoranz.

Wenn man allerdings ein Gewerkschaftsseminar besucht, das der rechten Propaganda gewidmet ist, oder eine entsprechende Broschüre liest, wird man dort umfassend über die wirtschaftsliberale Ausrichtung des AfD-Programms informiert und erfährt 100 Gründe, warum ein von Lohnarbeit Abhängiger sich mit solchen Leuten nicht einlassen sollte. Aber der Betriebsrat und seine Kollegin erfahren dort nicht, warum die AfD sich trotzdem so gut an den Mann bringen kann. Zurück im Betrieb sind sie dann denkbar schlecht gerüstet für die Auseinandersetzung mit den AfD-Sympathisanten.

Auch überzeugte Gewerkschaftler können Anhänger der AfD sein. Wenn aber die AfD ein Programm hat, dass Arbeitern schaden würde, stellt sich die Frage: Warum handeln Individuen gegen ihre Interessen?

Auf Sozialpsychologie zu verzichten, hat in den Gewerkschaften Tradition. Sie sind von der Überzeugung beseelt, das ökonomische Verhältnis, in dem der Einzelne steht, veranlasse ihn, den richtigen Schluss zu ziehen. Dafür müsse man ihm den Nutzen des Zusammenschlusses der Lohnabhängigen nur deutlich machen.

Doch man kann offenbar zugleich vom Nutzen der Gewerkschaft und vom AfD-Rassismus überzeugt sein. Eindrücklich zeigten das zuletzt die Auswertungen der jüngsten Bundes- und Landtagswahlen durch das Institut für angewandte Sozialwissenschaft. Auch überzeugte Gewerkschaftler können Anhänger der AfD sein. Wenn aber die AfD ein Programm hat, dass Arbeitern schaden würde, stellt sich die Frage: Warum handeln Individuen gegen ihre Interessen?

Es waren der alten Arbeiterbewegung nahestehende, ins US-amerikanische Exil geflüchtete deutsch-jüdische Emigranten, die dieser Frage ihr Forscherleben widmeten: die nach ihrer Rückkehr so genannte Frankfurter Schule. Ihre Erkenntnisse sind in das Curriculum der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit nie aufgenommen worden. Ihre Hoffnung setzten diese Theoretiker in eine politisch gewendete Psychoanalyse. Wer die Semantik der Demagogie kennt, fällt auf diese Semantik nicht so leicht rein und kann andere vorm Reinfallen behüten – so die Überlegung. Eine Art Schutzimpfung also.

Die linken Theoretiker studierten eingehend das Set der agitatorischen Tricks ihrer Gegner. Die arbeiten mit den immer gleichen Sprachfiguren, fand man heraus: der kleine Mann auf der Straße, der von denen da oben betrogen werde; die in Saus und Braus lebenden Eliten, die sich nicht um das Wohl des Volkes scherten; der gegen die Mächte des Bösen aufbegehrende Tabubrecher, der allein vertrauenswürdig sei; die wärmende Gemeinschaft des identitären Kollektivs, das von den besitzergreifenden Fremden bedroht werde. Die rechte Demagogie zapft eine im Unbewussten abgelagerte Gefühls- und Triebwelt an, lautete die Erkenntnis. Und man durchkreuzt diese Strategie, indem man darüber aufklärt. So die Hoffnung.

Ist diese Hoffnung ein bisschen naiv? Die kritischen Theoretiker überschätzten die Wirkkraft der von ihnen vorgeschlagenen Aufklärung nicht. Den Hartgesottenen komme man damit nicht bei. Hier helfe nur Ausgrenzung. Das wirksamste Mittel gegen die »Hassverkäufer« (Adorno) sei Gegenausgrenzung. Ihre Hetzrede müsse existenzbedrohende Folge zeitigen.

Wer hetzt, fliegt also – womit wir bei den Gewerkschaften sind. Die Betriebsverfassung gibt den gewählten Vertretern einschlägige Paragraphen an die Hand, um das Betriebsklima vor Hetze zu schützen. Wer in den Pausengesprächen das große Wort führt und sein Mütchen an den Ausländern kühlt, dem sollte widersprochen werden, und wer die Grenze zur klaren Demagogie überschreitet, sollte sanktioniert werden – das Betriebsverfassungsgesetz berechtigt den Betriebsrat, vom Arbeitgeber Versetzung oder gar Entlassung solcher Mitarbeiter zu verlangen. Das Gesetz sieht bei Nichterfüllung Zwangsgelder ­gegen den Arbeitgeber vor. Und in den Bildungsstätten des DGB muss psychoanalytische Erkenntnis auf den Lehrplan kommen.