Tim Müller, Verband Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg, im Gespräch über eine Ausstellung zur Verfolgung schwarzer Menschen im Nationalsozialismus

»Diesen Menschen wurde großes Unrecht angetan«

In Mannheim ist im Kulturzentrum Romno Kher des Verbandes Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg (VDSR-BW) noch bis zum 22. Februar eine Ausstellung über das Leben und die Verfolgung schwarzer Menschen im Nationalsozialismus zu sehen. Kuratiert wurde die Ausstellung von der Europaabgeordneten Pierrette Herzberger-Fofana (Grüne), die sich schon lange mit schwarzen Menschen als vergessenen Opfern des Nationalsozialismus beschäftigt. Die Nationalsozialisten ermordeten etwa 3.000 schwarze Menschen. Die »Jungle World« sprach mit Tim Müller, dem wissenschaftlichen Leiter des VDSR-BW, über die Solidarität unter den Opfergruppen des Nationalsozia­lismus.
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Was zeigt Ihre Ausstellung?
Im Zentrum der Ausstellung stehen die Lebensgeschichten von elf schwarzen Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Ergänzt werden die biographischen Einblicke durch Überblickstafeln, die sich der Geschichte schwarzer Menschen in Deutschland und Europa und den Grundzügen der nationalsozialistischen Verfolgung widmen. Die gesamte Ausstellung beruht auf der wissenschaftlichen Recherche der Kuratorin Pierrette Herzberger-Fofana und den Zeitzeugengesprächen, die sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten geführt hat.

Wie kommt es, dass Sie die Ausstellung in Ihren Räumlichkeiten zeigen?
Auch Sinti und Roma wurden lange Zeit nicht als Opfer des Nationalsozialismus berücksichtigt. Dass es auf dem Weg zur Anerkennung viel Unterstützung aus der Zivilgesellschaft und auch aus anderen Opfergruppen gab, hat der VDSR-BW nicht vergessen. Wir zeigen die Ausstellung aus Solidarität und wollen damit zeigen, dass wir dem Vergessen entgegenwirken wollen und uns nicht auf vermeintliche Opferkonkurrenz einlassen. Das Kulturhaus Romno Kher soll ein Ort sein, an dem unterschiedliche Perspektiven verbunden werden.

Gab es also Gemeinsamkeiten in der Verfolgung von Roma und Sinti und schwarzen Menschen?
Die Verfolgung schwarzer Menschen erfolgte nicht so systematisch wie die der Sinti und Roma oder von Jüdinnen und Juden. Besonders die Verfolgung von Afrodeutschen erfolgte aber durch ähnliche Institutionen: Der Entrechtung durch die Nürnberger Ge­setze folgte der Missbrauch durch die Rassenforschung und medizinische Experimente, die Kriminalisierung als »asozial« und in vielen Fällen die Zwangssterilisierung.

»Wichtig zu sehen ist auch, dass die rassistisch motivierte Ausgrenzung nach 1945 für viele nahtlos ­weiterging.«

Ganz anders gerieten schwarze Menschen aus Frankreich oder Belgien in die Verfolgungsmaschinerie. Viele von ihnen wurden verfolgt, weil sie in der ­Résistance oder im Militär gegen Nazideutschland kämpften. Wir besprechen auch die Unterschiede in der Verfolgung der verschiedenen Gruppen. Wichtig ist jedoch, dass all diesen Menschen großes Unrecht angetan wurde und das gemeinsame Erinnern ein Akt ist, dieses Unrecht zu verurteilen.

Weshalb wird bisher kaum an schwarze Menschen als Opfer des Nationalsozialismus erinnert?
Das hat verschiedene Ursachen. Zum einen ist die Gruppe im Vergleich nicht groß. Die Nationalsozialisten ermordeten etwa 3.000 schwarze Menschen. Zum anderen war die Gruppe sehr uneinheitlich und die Verfolgung oft mit anderen Aspekten verzahnt – etwa im Fall französischer Widerstandskämpfer. Wichtig zu sehen ist auch, dass die rassistisch motivierte Ausgrenzung nach 1945 für viele nahtlos ­weiterging. Erst mit der Zeit hat die deutsche Gesellschaft angefangen, sich für das Schicksal schwarzer Menschen in der NS-Zeit zu interessieren. Dass die Ausstellung bei uns gezeigt wird, soll zu diesem Prozess des Umdenkens beitragen.

Die Ausstellung kann noch bis zum 22. Februar im Kulturhaus RomnoKher (Mannheim B 7, 16 | 68159 Mannheim) besucht werden. Montag bis Donnerstag von 09:30 bis 12:00 Uhr und 14:00 bis 16:30 Uhr, Eintritt frei