Überlebende des 7. Oktobers kämpfen noch immer darum, dass ihnen geglaubt wird

Israelinnen als Freiwild

Die sexualisierte Gewalt der Hamas wird vielerorts noch immer geleugnet, angezweifelt oder relativiert. Anlässlich des Frauenkampftags lud die Werteinitiative, Verein für jüdisch-deutsche Positionen, einen Tag zuvor, am 7. März, zu einem Podiumsgespräch ein. Chen Malka, Überlebende des Pogroms beim Supernova-Festivals, leitete den Abend mit einem Erlebnisbericht ein.

Chen Malka entschuldigt sich schon vornweg, sollte sie ins Stocken geraten. Die junge Frau ist aus Israel angereist, um an diesem 7. März in Berlin von ihren Erfahrungen zu berichten. Sie hat das Supernova-Festival überlebt, das durch das Massaker der Hamas fünf Monate zuvor traurige Berühmtheit erlangte – und dennoch bei einigen bereits in Vergessenheit geraten ist. Gemeinsam mit dem American Jewish Committee und den Frauen für Freiheit hat der Verein für jüdisch-deutsche Positionen Werteinitiative Malka eingeladen, um mit ihr über die sexualisierte Gewalt am 7. Oktober zu sprechen.

Gegen sechs Uhr morgens habe Malka, die zu diesem Zeitpunkt tanzte, zuerst Drohnen wahrgenommen. Sie ging davon aus, gefilmt zu werden, dachte, das Festivalteam mache Luftaufnahmen. Sie tanzte weiter, winkte euphorisch in die vermeintlichen Kameras. Wenig später habe sie Funken am Himmel bemerkt; ein Feuerwerk, wie sie zuerst vermutete. Dann sei plötzlich Panik ausgebrochen.

»Ich habe nur durch Glück überlebt«, sagt Malka. Sie berichtet von Gruppenvergewaltigungen, bei denen die Terroristen eine Frau nach der anderen vergewaltigten.

»Ich habe nur durch Glück überlebt«, sagt Malka. Sie berichtet von Gruppenvergewaltigungen, bei denen die Terroristen eine Frau nach der anderen vergewaltigten. Sie hätten ihre Opfer missbraucht, ihnen die Geschlechtsorgane abgeschnitten, damit Fußball gespielt – ohne dabei aufzuhören, sie weiter zu vergewaltigen. »Sie haben sie umgebracht und ihre toten Körper vergewaltigt«, erzählt sie. Frauen seien vor den Augen ihrer Partner vergewaltigt worden, um beide zu demütigen.

Ihr Cousin, der auch auf dem Festival war, sei 20 Kilometer über ein offenes Feld gerannt. Die Terroristen hätten dabei immer wieder auf ihn geschossen. Jedes Mal, wenn er sich umgedreht habe, habe er andere Fliehende fallen sehen. Sie hatten kein Glück, wurden von den Kugeln der Terroristen getroffen. »Es gab so viele Situationen, die vergleichbar sind mit dem, was wir aus dem Holocaust kennen«, sagt Malka. Diese sei eine davon.

Man müsse akzeptieren, dass diese Gewalttaten stattgefunden haben; den Menschen Glauben schenken, die sie erlebt und überlebt haben, antwortet Malka schlicht auf die Frage, wie man helfen könne. So einfach scheint es jedoch nicht zu sein.

Denn feministische Mindestforderungen, allen Opfern zu glauben und sie zu unterstützen, werden derzeit ad absurdum geführt. Für jüdische und israelische Opfer sexualisierter Gewalt gelten andere Maßstäbe. Ihre Aussagen werden angezweifelt oder geleugnet. Die Gewalt, die sie bezeugt oder erfahren haben, wird relativiert. Anerkennung und Solidarität erfahren sie kaum.

Die antizionistische Gruppe Internationalist Feminist Alliance aus Berlin beispielsweise denunziert die Berichte der Betroffenen als Propaganda. Auf ihrer Demons­tration zum Frauenkampftag werden die Massenvergewaltigungen der Hamas mit keiner Silbe erwähnt. Für Judith Butler, eine Vordenkerin des postmodernen Feminismus, war der 7. Oktober »kein terroristischer Angriff, keine antisemitische Attacke«, sondern ein »Akt des bewaffneten Widerstands« – die vergewaltigten und missbrauchten Zivilistinnen gelten ihr offenbar als Besatzerinnen und ihre Misshandlung und Ermordung als Widerstand? Die Berliner Frauengruppe Zora nimmt die Gewalt zwar zur Kenntnis. Der »Angriff auf die Besatzungsmacht« verliere dadurch jedoch »nicht an Legitimität«.

Am Tag gegen Gewalt an Frauen, dem 25. November, keine zwei Monate nach den blutigen Verbrechen der Hamas und ihrer Verbündeten, mussten jüdische und israelische Frauen ihre eigene Demonstration in Berlin organisieren, um überhaupt zu Wort zu kommen.

In Freiburg wollte das örtliche »Bündnis gegen Antisemitismus« bei der Demonstration zum 8. März den misogynen Charakter der Hamas hervorheben. Es durfte seine Rede jedoch nicht halten. Stattdessen bekam die antizionistische Gruppe »Palästina spricht« ein Podium, um den antisemitischen Mythos des genozidalen Verbrechens Israels zu verbreiten. Bei der Auflistung der Frauen, mit denen sie sich solidarisch zeige, fehlten dementsprechend die Opfer der Hamas. Am Tag gegen Gewalt an Frauen, dem 25. November, keine zwei Monate nach den blutigen Verbrechen der Hamas und ihrer Verbündeten, mussten jüdische und israelische Frauen ihre eigene Demonstration in Berlin organisieren, um überhaupt zu Wort zu kommen. Der derzeitige Feminismus scheint auf Abwegen.

Vergewaltigung als Kriegswaffe sei bekannt, in diesem Ausmaß jedoch bislang einzigartig, betont Yael Sherer. Sie ist Gesundheitsexpertin mit Schwerpunkt auf sexualisierter Gewalt. Gemeinsam mit der israelischen Frauenrechtlerin Miki Roitman, Jan İlhan Kızılhan, Experte für transkulturelle Psychosomatik, und Rebecca Schönenbach vom Verein Frauen für Freiheit diskutiert sie an diesem Abend nach Malkas Erfahrungsbericht über die sexualisierte Gewalt der Hamas. Mit jedem weiteren Zeugenbericht kämen grausamere Erkenntnisse zutage, berichtet Sherer. Jüdische Frauen weltweit hätten seitdem Angst, ihnen könne Ähnliches passieren.

Kızılhan erinnert dieses Vorgehen an seine Arbeit mit den Kämpfern des »Islamischen Staats«. Er beobachte dieselbe Empathielosigkeit. Dabei handle es sich allerdings nicht um psychische Störungen. »Das sind ganz normale Menschen«, betont er. Roitman, die derzeit mit den inhaftierten Terroristen der Hamas arbeitet, ergänzt, vielfach hätten diese ihre Gewalttaten in Gesprächen damit begründet, einen religiösen Auftrag zu erfüllen.

Obwohl die Angreifer ihre Gewalttaten selbst filmten und verbreiteten, schaffen es einige noch immer, ihre Augen vor ihnen zu verschließen.

Roitman weist zudem auf die Schwierigkeiten hin, die Verbrechen juristisch aufzuarbeiten. Etwa 3.000 Menschen wären an den Gewalttaten beteiligt gewesen. Zu Beginn seien außerdem zu wenige Leichensäcke vorhanden gewesen. Deshalb hätte es teilweise nur einen Leichensack für zwei Opfer gegeben. Die Spuren der Gewalt seien somit nicht mehr klar voneinander zu trennen. Man könne daher nicht mehr genau bestimmen, wer genau wen vergewaltigt habe.

Obwohl die Angreifer ihre Gewalttaten selbst filmten und verbreiteten, schaffen es einige noch immer, ihre Augen vor ihnen zu verschließen. Fünf Monate haben die Vereinten Nationen gebraucht, einen Bericht zu veröffentlichen, der die bestialischen Taten der Hamas für »wahrscheinlich« erklärt. Es gebe »berechtigten Grund zur Annahme«, dass es zu Vergewaltigungen und Gruppenvergewaltigungen am 7. Oktober und in der Geiselhaft gekommen sei. Berichte über sexualisierte Gewalt und Missbrauch von israelischen Zivilisten waren indes bereits wenige Wochen nach den Gewalttaten bereits publik geworden.

All dies sind Beispiele für die isolierte Position, aus der heraus Jüdinnen und Israelis noch immer auf die Anerkennung der Verbrechen der Hamas dringen müssen. Sie sind der Grund, warum Überlebende wie Chen Malka nach Deutschland reisen müssen, um gegen den Widerstand einiger wieder und wieder Zeugnis von ihren grausamen Erfahrungen abzulegen. Egal wie schwer es ihr falle, darüber zu sprechen, so Malka, es sei ihr wichtig, dass die Welt davon erfahre. »Wir werden wieder tanzen.«