Anfang August kommen junge jüdische Sportler aus ganz Europa in London zusammen

Für jüdische Resilienz

Vom 30. Juli bis zum 6. August finden in London die European Maccabi Youth Games statt. Junge jüdische Sportler aus ganz Europa kommen dann in der britischen Hauptstadt zusammen. Makkabi Deutschland wird mit 120 Athleten dabei sein.

Als sich im vergangenen Jahr vom 29. September bis zum 3. Oktober jüdische Sportler aus ganz Deutschland zum Sukkot-Großlehrgang in der Sportschule Wedau in Duisburg trafen, war die Stimmung entspannt. Die Türen der Sportschule standen offen, es wurde viel gelacht, der Duisburger Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir (SPD) schaute vorbei und brachte eine Palette Saft mit, und der ehemalige Fußballprofi Ansgar Brinkmann gab seinen öffentlichen Einstieg als Trainer der Makkabi-Fußballmannschaft bekannt.

Maccabi Games sind immer ein großes Fest

Maccabi Games sind immer ein großes Fest

Bild:
Makkabi Deutschland

»Es ist toll, Teil der Makkabi-Familie zu sein«, sagte Brinkmann damals. »Alle meine Freunde und Bekannten beneiden mich darum, dass ich bald nach Israel fahren werde.« Aber bei allem Spaß und aller Vorfreude blieb er Profi: »Mein Team und ich wollen die bestmögliche Mannschaft aufstellen.«

Der 7. Oktober raubte jüdischen Sportlern jede Leichtigkeit

Beim Großlehrgang in Duisburg ging es unter anderem darum, die 120 jungen Athleten auszuwählen, die am 30. Juli in London bei den European Maccabi Youth Games antreten werden. Von dem Druck eines solchen Lehrgangs spürte man wenig, die Freude bestimmte das Zusammentreffen.

Nur wenige Tage später war die Welt eine andere: Die Massaker der Hamas und ihrer Verbündeten in ­Israel, denen 1.200 Menschen zum Opfer fielen, raubten auch den jüdischen Sportlern in Deutschland jede Leichtigkeit.

»Gerade in Deutschland und England, Ländern mit ihrer eigenen Geschichte und aktuellen Herausforderungen im Umgang mit Antisemitismus, liegt ein besonderer Fokus auf unserer integrativen Arbeit durch Sport.« Hannah Stolyar, Vorstandsmitglied der Makkabi-Deutschland-Jugend

Das hat Spuren hinterlassen: Bei einem Vorbereitungstraining für London im Frühling in Köln waren die Morde und der Terror das bestimmende Thema. Die Stimmung war geprägt von einer Mischung aus Trauer, Wut und Trotz. Bei Makkabi gibt man sich selbstbewusst und kämpferisch. In einer Erklärung heißt es: »Der 7. Oktober 2023 hat ­alles verändert – doch nicht unseren Willen, ein positives, erfülltes Leben als Teil unserer vielfältigen Gesellschaft zu führen. Das Judentum gehört zu Deutschland und Europa, das wollen wir, die Makkabi-Be­wegung, bei den European Maccabi Youth Games 2024 in London zeigen und leben. Vom 30. Juli an werden Hunderte jugendliche jüdische Sportlerinnen und Sportler aus 18 Ländern in der englischen Hauptstadt zusammenkommen, um sich sportlich miteinander zu messen und jüdische Traditionen gemeinsam frei auszuleben.«

Dabei ist ­London die Stadt, die der britische Extremismusbeauftragte Robin Simcox in einem Interview im Frühling wegen der zahlreichen anti­israelischen Demonstrationen als eine »No-go-Area für Juden« bezeichnete. Aber was bedeutet das schon in einer Zeit, in der weite Teile Europas längst eine »No-go-Area für Juden« geworden sind?

London vermehrt mit antisemitischen Vorfällen konfrontiert

Jüdische Resilienz ist ein Begriff, der von Teilnehmern immer wieder betont wird. Hannah Stolyar, Mitglied des Vorstands der Makkabi-Deutschland-Jugend, sagt der Jungle World: »Diese Veranstaltung ist nicht nur ein herausragendes sportliches Ereignis, sondern auch ein starkes Zeichen für die jüdische Resilienz und den Zusammenhalt un­serer Gemeinschaft.« Gerade in Deutschland und England, »Ländern mit ihrer eigenen Geschichte und aktuellen Herausforderungen im Umgang mit Antisemitismus«, liege »ein besonderer Fokus auf unserer integrativen Arbeit durch Sport«.

Spaß mit dem Makkabi-­Bär

Spaß mit dem Makkabi-­Bär

Bild:
Makkabi Deutschland

Gregor Peskin, der Vorsitzende der Makkabi-Deutschland-Jugend, sieht es ähnlich. Der Jungle World teilt er mit: »In dieser Zeit müssen wir einstehen für jüdische Resilienz, für jüdische Stärke und für den Zusammenhalt unserer Gemeinschaft. Über 800 Jugendliche aus der ganzen Welt werden dies bei den European Maccabi Youth Games in London Anfang August erleben.« Die Spiele würden ein starkes Signal gegen Antisemitismus setzen und gegen die aktuellen Herausforderungen angehen. »Gerade jetzt ist es wichtig, dieses Engagement zu zeigen. London, das in den letzten Monaten vermehrt mit antisemitischen Vorfällen konfrontiert ist, steht im Fokus dieser Bemühungen.«

Wie fast überall auf der Welt hat auch in Deutschland eine Welle des Antisemitismus erlebt: Jüdische ­Eltern haben Angst, ihre Kinder zur Schule oder in Sportvereine zu schicken, und Davidsterne werden an Hauswände geschmiert. Juden fühlen sich in Deutschland zunehmend unsicher.

Antisemitische Äußerungen von Profi-Spielern

Auch im organisierten Sport hat der Judenhass zugenommen: Sportler wurden und werden bedroht, und die Teilnahme am Ligabetrieb mussten Makkabi-Vereinen zum Teil wegen der bedrohlichen Lage absagten. Brüssel hat die Ausrichtung des Fußball-Länderspiels zwischen Belgien und Israel abgesagt, und es gab in den vergangenen Monaten wiederholt antisemitische Äußerungen von Profi-Spielern sowie Versuche, israelische Mannschaften von internationalen Turnieren auszuschließen.

Der Makkabi-Vorsitzende Alon Meyer kommentierte dazu in der Jüdischen Allgemeinen: »Wenn der politische Islam und seine linken Ermöglicher es schaffen, dass die inoffizielle Hauptstadt Europas, Brüssel, nicht sicherstellen kann, israelische Mannschaften vor Hassdemonstrationen zu schützen, befinden wir uns – faschismustheoretisch – nicht mehr in der Entstehungsphase, sondern mitten in der Radikalisierungsphase.«

Gerade vor diesem Hintergrund will Makkabi Deutschland »bei den Spielen in London als stolze deutsch-jüdische Sportlerinnen und Sportler eigene positive Akzente setzen«, heißt es in einer Pressemitteilung, »und mit dem Davidstern auf der Brust und den Deutschland-Farben in unserem Logo nicht nur für Medaillen, sondern auch für ein vielfältiges Deutschland und Europa – frei von Judenhass und Rassismus jeder Art – kämpfen«.

 »Der Sport war schon immer ein starkes Mittel, um Menschen zusammenzubringen.« Alfi Goldenberg, Vizepräsident für Sport von Makkabi Deutschland

Aber natürlich geht es auch um den sportlichen Erfolg, das machte Alon Meyer bereits im vergangenen Herbst deutlich: »Wir wollen mit den Besten antreten.« Und Alfi Goldenberg, Vizepräsident für Sport von Makkabi Deutschland, sagt: »Der Sport war schon immer ein starkes Mittel, um Menschen zusammenzubringen. Die European Maccabi Youth Games bieten unseren jungen Athleten eine einzigartige Gelegenheit, ihre Talente auf internationaler Bühne zu zeigen und gleichzeitig ein Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit zu fördern. Wir freuen uns auf die sportlichen Leistungen und die entstehenden Freundschaften.«

Das gilt umso mehr, als die Spiele in London ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Makkabiade (oder Maccabiah) 2025 sind, die in Israel stattfinden wird. Mit über 11.000 Athleten ist die Makkabiade eine der größten Sportveranstaltungen der Welt.

Stolze deutsch-jüdische Sportlerinnen und Sportler

Stolze deutsch-jüdische Sportlerinnen und Sportler

Bild:
Makkabi Deutschland

Die European Maccabi Youth Games beginnen für die deutsche Delegation ab dem 29. Juli mit einem Vorbereitungscamp in Frankfurt am Main. Dort werden nicht nur die letzten sportlichen Vorbereitungen getroffen. Geplant sind eine gemeinsame Schabbatfeier und eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober 2023 und des Olympiaattentats von 1972. Es wird unter anderem Grußworte von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Abraham Lehrer, dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Uwe Becker (CDU), dem Antisemitismusbeauftragten des Landes Hessen, geben. Am kommenden Samstag soll auf dem Frankfurter Römerberg mit der größten Havdalah des Jahres in Hessen das Ende des Schabbat ­gefeiert werden.