Der NSU-Helfer André Eminger inszeniert sich als Nazi-Aussteiger

Reihenweise Ausstiege

Ein Drittel der Haftstrafe des NSU-Unterstützers André Eminger wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der nun veröffentlichte Gerichtsbeschluss zeigt, dass ihm das Gericht abkaufte, den Rechtsextremismus hinter sich gelassen zu haben.

André Eminger, den die Bundesanwaltschaft als »vierten Mann« der NSU-Terrorzelle bezeichnete und der auf seinem Bauch den Spruch »Die, Jew, Die« (Stirb, Jude, Stirb) tätowiert hatte, will der Öffentlichkeit weismachen, dass er den Rechtsextremismus hinter sich gelassen habe. Eine Gelegenheit dafür bot sich Mitte Juni, als er im inzwischen beendeten zweiten NSU-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags befragt wurde. Er sei aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen, erzählte Eminger dort, und wolle nun »einfach ein ganz normales Leben führen«. Er habe sich gewandelt, für ihn zählten nur noch »Menschen und Charakter, Herkunft egal«.

Es ist nicht Emingers erste angebliche Abkehr von der Nazi-Szene. Bereits als der Verfassungsschutz 2003 versuchte, Eminger anzuwerben, erklärte dieser, er sei ausgestiegen und habe nichts mehr mit seinen früheren Kameraden zu tun. Zu dem Zeitpunkt hatte der NSU bereits vier Menschen ermordet; Eminger hatte das Terror-Trio seit 1998 unterstützt. Im NSU-Prozess gehörte Eminger neben Beate Zschäpe zu den insgesamt fünf Angeklagten. Er mietete für das Trio unter seinem Namen eine Wohnung an, stellte den beiden Männern seine Krankenkassenkarte zur Verfügung und mietete dreimal ein Wohnmobil an, mit dem Böhnhardt und Mundlos zu Überfällen und einem Sprengstoffanschlag fuhren. Der persönliche Kontakt war eng. Seine Ehefrau war mit Beate Zschäpe befreundet und das Ehepaar war häufig zu Gast in der Zwickauer Wohnung des NSU.

Nach der Selbstenttarnung des NSU im ­November 2011 rief Zschäpe direkt bei Eminger an und erzählte ihm am Handy, was geschehen war. Er half ihr bei der Flucht und gab ihr Kleidung von seiner Frau. Ermittlern, die Eminger kurz darauf befragten, erzählte er erneut, er sei schon lange aus der Neonazi-Szene ausgestiegen.

Das Oberlandesgericht München bezeichnete Emingers Verhältnis zum Kerntrio des NSU in der Urteilsbegründung als »lockere persönliche Beziehung«, die ihm »keine tief gehenden Einblicke in die Lebensumstände der drei untergetauchten Personen« gegeben hätte. Dementsprechend mild fiel das Urteil 2018 aus: Eminger wurde wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Die verurteilte Nazi-Terroristin Beate Zschäpe bezeichnet sich inzwischen selbst als »Aussteigerin«.

Die Bundesanwaltschaft hatte zwölf Jahre Haft gefordert. Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten sagte, es sei unglaubwürdig, dass André Eminger jahrelang neben Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe »hertrottet«, sie mit Tarn­namen ansprach, sie nie arbeiten sah »aber nie, nie, nie fragte: ›Wovon lebt ihr eigentlich, warum im Untergrund, und was macht ihr eigentlich den ganzen Tag lang?‹« Die Bundesanwaltschaft legte damals Revision gegen das Urteil ein, allerdings erfolglos.

Eminger wurde direkt nach Urteilsverkündung aus der Haft entlassen, den Rest seiner Haftstrafe trat er April vergangenen Jahres an. Diesmal dauerte es nur drei Monate, bis er wieder freikam, den Rest seiner Haftstrafe setzte das Oberlandesgericht München zur Bewährung aus. Insgesamt war er nur eineinhalb Jahre im Gefängnis. Die Begründung des Gerichts für diese Entscheidung wurde vergangene Woche von dem gemeinnützigen Projekt Frag den Staat veröffentlicht, dass sich dafür einsetzt, dass staatliche Informationen preisgegeben werden.

Dort ist zu lesen, dass Eminger dem Gericht erzählte, er habe sich nicht nur »aus den rechtsextremistischen Strukturen gelöst«, es sei ihm mit der Zeit außerdem gelungen, »das rechtsextremistische Gedankengut aus seinem Kopf zu streichen«. Das Gericht halte diese Aussage für »schlüssig und nachvollziehbar und damit glaubhaft«. Eine Bewährungsauflage war, dass Eminger das »Aussteigerprogramm Sachsen« durchlaufen muss, was er seit Mai ­dieses Jahres macht.

Den naheliegenden Verdacht, dass diese angebliche Wandlung wegen der Hoffnung auf Straferleichterung nur vorgespielt ist, konnte Eminger bei der Befragung im Bayerischen Landtag nicht ausräumen. Dort erzählte er, er habe mit dem Trio nie ein Wort über Politik gesprochen. Auch habe er nie nachgefragt, wozu seine Unterstützung überhaupt gut sei. Der Ausschussvorsitzenden Toni Schuberl (Bündnis 90/Grüne) schätzte diese Aussagen als ­unglaubwürdig ein, trotzdem zog er ein positives Fazit, da es gelungen sei, Eminger zum Reden zu bringen – schließlich habe Eminger dies im NSU-Prozess stets verweigert.

Sogar Beate Zschäpe hatte vor dem Untersuchungsausschuss Zweifel an dem Ausstieg ihres früheren Kameraden geäußert. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll«, sagte die 48jährige. Dabei bezeichnet sich die verurteilte Nazi-Terroristin inzwischen selbst als »Aussteigerin«. Auf die Nachfrage, wie ein solcher Ausstieg während ihrer Haft überhaupt aussehen solle, antwortete Zschäpe, sie habe der Haftleitung das Signal gegeben, »dass ich an so etwas teilnehmen würde«.

»Eminger hat drei Mal davon profitiert, sich als Aussteiger zu inszenieren«, schrieb die Geschäftsführerin des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG), Heike Kleffner, in den sozialen Medien. Die Voraussetzung für einen glaubhaften Ausstieg Emingers wäre ihrer Ansicht nach, »alles Wissen und belastende Infos über das NSU-Netzwerk öffentlich auf den Tisch zu legen«. Doch stattdessen inszeniere er sich »nazitypisch als nichtwissende Randfigur«, so Kleffner.