Dating-Seiten für Verschwörungsgläubige

Aluhutdating und Schwurbeltreff: Wo die Liebe hinfällt

Alle suchen die große Liebe – auch Verschwörungsgläubige. Dafür gibt es nun zwei Dating-Plattformen. Auf diesen geht es allerdings nicht nur ums Dating.

»Querdenker« und andere Verschwörungsgläubige leben in einer alternativen Realität – das dürfte allgemein bekannt sein. In den vergangenen rund drei Jahren war denn auch zu beobachten, dass aus der Szene heraus immer mehr sich alternativ gerierende Projekte ins Leben gerufen werden, die das Potential in sich bergen, eine Art Parallelgesellschaft zu etablieren. Nach der Partei Die Basis und zahlreichen eigenen Medienangeboten wie dem Fernsehsender AUF1 haben nun zwei Dating- beziehungsweise Kennlernplattformen für Angehörige der Szene den Betrieb aufgenommen: Aluhutdating und Schwurbeltreff.

Erstere wird von Mark Etting betrieben, einem nach Paraguay ausgewanderten Informatiker, der angibt, auf Suchmaschinenoptimierung spezialisiert zu sein, dessen zahlreiche Internetseiten jedoch auf Google nur unter ferner liefen zu finden sind. Zu finden ist er allerdings als Gestalter der Website »Germanische Heilkunde«, die mit einem Nachruf auf Helmut Pilhar beginnt. Dieser gab regelmäßig Seminare über die »Germanische Neue Medizin«, in denen er Informationen des NDR zufolge antisemitische Ressentiments verbreitete. Demnach bezeich­nete er die Chemotherapie als Erfindung der Juden, die die Menschheit töte und die Frauen unfruchtbar mache. Der Plan der Juden stehe schon im Talmud, habe Pilhar seinen Seminarteilnehmern weismachen wollen – ohne zu wissen, was in diesem tatsächlich steht; einen eigenen besitze er nämlich nicht.

Als Adresse gibt das Impressum von Aluhutdating ein Hotel in der para­guayischen Hauptstadt Asunción an. Dessen Inhaber heißt Werner Penner, ­er betreibt nach eigenen Angaben bereits seit 1983, also seit den Zeiten der extrem rechten Diktatur Alfredo Stroessners, eine Agentur, die Interessierten bei der Einwanderung nach Paraguay hilft und die sich heutzutage Kommentaren im Internet zufolge auch unter Coronaleugner:innen einiger Beliebtheit erfreut.

Bei Schwurbeltreff kann man verschiedene Verschwörungstheorien von 9/11 über Ufos bis hin zu Qanon diskutieren. Auch die Themen »Souveränität Deutschlands«, Prepping und Selbstversorgung haben eigene Unterforen.

Wie gut die Plattform angenommen wird, lässt sich nicht sagen. Durch »technische Probleme« wurde in den vergangenen Tagen ein Großteil der Profile gelöscht, heißt es auf dem Telegram-Kanal der Plattform, auf der neben Eigenwerbung auch allerlei esoterischer Unsinn verbreitet wird. Unter anderem kann man dort lernen, dass es sich bei der Regenbogenfahne um eine »satanische Umkehrung« handele, da diese die Farben der »menschlichen Chakren« auf den Kopf stelle.

Der Kanal hat rund 400 Abon­nent:in­nen. Auf Facebook sind es knapp 20, auf Twitter nicht einmal fünf. Aluhutdating fand indes bereits Erwähnung in der Internetsendung Martin Sellners, des ehemaligen Sprechers der Identitären Bewegung Österreichs.

Deutlich größer und auch medial präsenter ist die Plattform Schwurbeltreff. Das mag mit ihrem Betreiber zusammenhängen: Michael Bründel alias Captain Future gilt als einer der am besten vernetzten Akteure der verschwörungsgläubigen Szene. Die Seite ging im Februar 2023 online. Bründel teilte Vice World News mit, dass sich bereits nach drei Wochen 1.500 Benutz­er:in­nen registriert hätten. Geht man heute auf die Plattform, zeigt sich, dass es mittlerweile etwa doppelt so viele sind, wobei nicht alle eine Beziehung, sondern viele nur Freundschaften suchen. Zum Vergleich: Die Singlebörse »Christ sucht Christ« hat laut der Vergleichsplattform »Zu Zweit« 60.000 Nut­zer:innen.

Werbung gibt es bei Schwurbeltreff derzeit nicht. Finanziert wird das Projekt offenbar durch Spenden. Angegeben hierfür werden ein Paypal-Konto und eines bei der in Belgien registrierten Online-Bank Wise. Neben der Website existiert auch eine Android-App. Eine App für das iPhone gibt es bislang nicht.

Schwurbeltreff

Michael Bründel alias Captain Future gilt als einer der am besten vernetzten Akteure der verschwörungsgläubigen Szene. Er betreibt die Seite Schwurbeltreff

Bild:
Screenshot Schwurbeltreff

Auf Telegram hat der entsprechende Kanal rund 800 Abonnent:innen. Dort findet man auch ein Video-Testimonial eines jungen Manns namens Niels, der durch die Plattform »seine Traumfreundin und seinen Traumjob« gefunden habe. Außerdem habe er dort viele tolle und tiefgründige Gespräche geführt.

Tatsächlich scheint eine Stärke der Plattform darin zu liegen, dass sie weit mehr als nur Dating bietet. Neben dem üblichen Matching zwecks Part­ner:in­nensuche kann man auch nach Freund:in­nen mit ähnlichen Interessen suchen. Es gibt eine Chat-Funktion, einen Veranstaltungskalender und ein Forum, in dem auch Jobangebote und -gesuche gepostet werden können. Vor allem aber kann man dort über verschiedene Verschwörungstheorien von 9/11 über Ufos bis hin zu Qanon diskutieren. Auch die Themen »Souveränität Deutschlands«, Prepping und Selbstversorgung haben eigene Unterforen.

Eine gewisse Nähe zur Bewegung der »Reichsbürger und Selbstverwalter«, wie der Verfassungsschutz sie nennt, ist offenbar durchaus gewünscht. Im Unterforum »Projekt-Vorstellungen« wird über die Gründung autarker Höfe und Dörfer diskutiert. Ein Vertreter des »Fördervereins Menschsein« aus Kiel, dessen Mitglieder allesamt »ungepiekste Schwurbler« sind, wie es hier heißt, wirbt für ein geplantes Hofprojekt in Norddeutschland. Auffällig ist hierbei vor allem, dass nahezu ausschließlich Männer mit Männern diskutieren. Frauen gibt es auf Schwurbeltreff zwar auch, ihr Anteil ist sogar vergleichsweise hoch, aber an dem Forum scheinen sie nur wenig Interesse zu haben.

Auf dem Telegram-Kanal von Aluhutdating lernt man, dass es sich bei der Regenbogenfahne um eine »satanische Umkehrung« handele, da diese die Farben der »menschlichen Chakren« auf den Kopf stelle.

Menschen jenseits der binären Geschlechtsordnung haben Pech gehabt. Die Einstellungen lassen zwar zu, auch nach gleichgeschlechtlichen Partner:innen zu suchen, als Geschlechtseinstellungen stehen jedoch nur »männlich« und »weiblich« zur Verfügung. Dafür wird neben jedem Profilbild das Sternzeichen der jeweiligen User:innen angezeigt und es wird angeben, ob sich jemand gegen Covid-19 hat impfen lassen oder nicht. Es ist auch möglich, die Treffer so zu filtern, dass nur Ungeimpfte angezeigt werden.

Es ist offensichtlich, dass Verschwörungsmythen über die Pandemie eine zentrale Rolle auf Schwurbeltreff spielen. Doch es geht um mehr. Wer sich durch die Profile und das Forum klickt, fällt in ein regelrechtes rabbit hole aus Weltuntergangsphantasien, Zukunftsängsten, Esoterik und teilweise offenem Antisemitismus. So schreibt ein User namens »Geronimo« aus Stockach am Bodensee von »globalistischen Parasiten mit ihrem FIAT-Schuldgeldsystem« und behauptet: »All ­diese dreckigen Zionisten sind die wahren Nazis … Und Nazi bedeutet nicht Nationalsozialist, sondern Nationalzionist!«

Dass Aussagen wie diese wochenlang stehenbleiben können, ohne das Moderator:innen eingreifen, und höchstens in Bezug auf den Tonfall kritisiert werden, lässt darauf schließen, dass sie auf Schwurbeltreff als Ausdruck akzeptabler Meinungen gelten. Wie viele Paare sich auf der Plattform finden werden, sei dahingestellt; als Ort der Vernetzung eignet sie sich jedoch gut. Braune Esoterik, Reichsbürgerdenken und Antisemitismus sind stets nur wenige Mausklicks entfernt.