Kranker Mann, was nun?
Geschichte wiederholt sich nicht, Ideologiegeschichte permanent. Kurz vor der Jahrtausendwende fällte das britische Wirtschaftsmagazin The Economist ein vernichtendes Urteil über die hiesige Volkswirtschaft und bezeichnete Deutschland als »the sick man of the Euro«. Die hiesige Wirtschaft und ihre Vertreter griffen die Wendung, die in ähnlicher Form schon seit dem 19. Jahrhundert für verschiedene Länder verwendet worden war, begeistert auf und forderten vehement ein Ende des »Reformstaus« und eine »wirtschaftsfreundlichere« Politik. Genau die kam dann auch einige Jahre später – mit der »Agenda 2010« der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD).
Ein Vierteljahrhundert später gerät das Durchblättern der Wirtschaftspresse zum Déjà-vu. »Deutschland wieder der kranke Mann Europas?«, titelte das Manager-Magazin Ende Juli und eine Woche später wortgleich das Handelsblatt. Vorige Woche ließ der Vorsitzende des Industrieverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, im Deutschlandfunk das Fragezeichen gleich weg: »Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig«, lautete sein Verdikt, »wir sind in der Tat wieder der kranke Mann Europas.« Die Zuhörerschaft erfuhr auch gleich, woran das liege: Hierzulande seien die Steuern und die Energiepreise zu hoch. Es gebe zu viel Bürokratie und zu viel Habeck, zu wenig Fachkräfte und zu wenig Lindner.
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