Was ist von Javier Mileis angeblicher Begeisterung für Israel zu halten?

Moses als Vorbild

Argentiniens neuer Präsident Javier Milei nutzt bei öffentlichen Auftritten jüdische Symbole und zitiert aus der Tora. Mitglieder der jüdischen Gemeinde finden das teilweise befremdlich bis gefährlich, erhoffen sich aber zukünftig gute außenpolitische Beziehungen zu Israel.

Javier Milei vergleicht sich mit dem bi­blischen Aaron, seine Schwester Karina, die von Milei »Chef« genannt wird, mit Moses. Wie schon für andere Gläubige vor ihm dient die Geschichte der Befreiung der Juden aus der ägyptischen Sklaverei als Parabel auf die Gegenwart. Das Joch, von dessen Befreiung er verkünden möchte, sind in seinem Fall die argentinischen Vorgängerregierungen.

Papst Franziskus, den Milei als einen politischen Gegner empfindet, bezeichnete ihn als »messianischen Clown«. Milei sagt, Gott persönlich habe ihn angewiesen, Argentinien in ein ­liberales Land zu verwandeln. Milei bewundert Moses als großen Anführer und wäre wohl gern eine Art jüdischer Superheld. So sagte er auch: »Ich möchte der erste jüdische Präsident Argentiniens sein.« Bekannt ist, dass ein Rabbiner zu seinen engsten Vertrauten zählt und ihn beim Studium der Tora begleitet. Die von Milei selbst gestreuten Gerüchte über eine mögliche Konversion zum Judentum musste er aber wieder eindämmen: Mit den Pflichten des Präsidentenamts lasse sich der Sabbat nicht einhalten.

Seiner Freundschaft zu Israel tue das jedoch keinen Abbruch, versichert Milei. Er kündigte für den Fall seines Wahlsiegs an, die argentinische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und Israel und die USA als die wichtigsten außenpolitischen Partner anzusehen. Damit stellt er sich scharf gegen die Außenpolitik der linken Regierungen Lateinamerika. Während Kuba, Nicaragua und Venezuela offen gute Beziehungen zu Israels Feinden wie der Hamas, der Hizbollah und dem Iran pflegen, zogen zuletzt Kolumbien, Chile, Bolivien und Honduras ihre Botschafter aus Israel ab und warfen dem jüdischen Staat vor, ein Massaker an den Palästinensern zu verüben; Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sprach von »Genozid«.

Nähere Verbindungen zur jüdischen Bevölkerung in Argentinien und zu relevanten Institutionen scheint Milei kaum zu haben.

Rabbiner Alejandro Avruj, das geistliche Oberhaupt der Gemeinde Amijai in Buenos Aires, zeigte sich sehr beeindruckt von Mileis Reaktion auf das Massaker der Hamas im Süden Israels. »Er hat die Hamas sofort als terroristische Organisation verurteilt – etwas, was unsere letzte Regierung nicht getan hat, obwohl 20 der von der Hamas entführten Geiseln argentinische Staatsbürger sind«, sagte er der israelischen Zeitung Haaretz. »Wir wissen nicht, wie er das Land regieren wird. Aber wir wissen, was die letzte Regierung getan hat, und ich kann nicht ­sagen, dass sie sehr gute Dinge für die jüdische Gemeinschaft bewirkt hat.«

Nähere Verbindungen zur jüdischen Bevölkerung in Argentinien und zu relevanten Institutionen scheint Milei aber kaum zu haben. »Wahrscheinlich weiß er weder, was eine Organisation wie AMIA (Asociación Mutual Israelita Argentina, Anm. d. Red.) ist, noch kennt er den Umfang und die Vitalität des in­stitutionellen Netzes von Schulen, Sportvereinen und Synagogen. Und noch viel weniger weiß er von der Vielfalt der religiösen, kulturellen und politischen Ansichten, die das argentinische jüdische Leben prägen«, vermutet Alejandro Dujovne, der zur jüdischen Geschichte in Argentinien publiziert. »Milei ist sich der sozialen Dimension und der zentralen Bedeutung des Gemeinschaftslebens nicht bewusst«, sagte Dujovne der spanischen Tageszeitung El País.

In Argentinien leben ungefähr 250.000 Juden, mehr als in jedem anderen lateinamerikanischen Land. Zu Milei haben sie unterschiedliche Meinungen. »Es gibt Leute in unserer Gemeinde, die seine Wahl begrüßen, denn das wird die Beziehungen Argentiniens zu Israel stärken, und er wird viel eher bereit sein, den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen«, sagte Rabbiner Marcelo Polakoff vom Centro Unión Israelita de Córdoba Haaretz. »Aber es gibt auch andere, die meinen, dass diese herzliche Umarmung für uns gefährlich werden könnte.«

Eine Gruppe von 4.000 vor allem linken jüdischen Künstlern und Intellektuellen hatte in einer gemeinsamen Erklärung ihre Besorgnis über Mileis »politische Nutzung des Judentums, seiner Texte und Symbole« ­ausgedrückt. Bei seinen Wahlkampfauftritten hatte er jüdische Symbole verwendet und Tora-Lesungen abgehalten. »Auf manche von uns wirkt das ­etwas merkwürdig«, sagt auch Polakoff.